Mithgar 10 - Die schwarze Flut
Klippe ab, wobei sie sorgfältig zielten, denn ihre Ziele waren weit entfernt - achtzig Fuß oder mehr -, und ihre Pfeile gingen zur Neige. Doch hatte Patrel das richtige Ziel angegeben, denn die schwarzen Pfeile und die herabgeschleuderten Steinbrocken forderten einen hohen Tribut unter den Männern, und nur die Wurrlinge konnten den tödlichen Regen von oben eindämmen.
Pfeil auf Pfeil flog zischend nach oben, und selbst auf diese Entfernung trafen sie. Die Rukhs zogen sich vom Rand der Klippe zurück, und der Niederschlag von Steinen und Geschossen ebbte merklich ab. Doch zähnefletschende Hlöks hieben mit Peitschen auf die schwarzen Kreaturen ein, und erneut kamen die Rukhs nach vorn. Zu ihnen gesellten sich die gewaltigen Ogrus und schleuderten mächtige Felsbrocken, und der tödliche Steinhagel setzte wieder ein. Nun zischten die schwarzen Pfeile auch in die Reihen der Wurrlinge, manche fanden ihr Ziel, und etliche Jungbokker fielen. Tucks Pfeile waren verbraucht, aber er schnappte sich den Köcher eines getöteten Kameraden und ließ sechs weitere Pfeile auf den Feind los, bevor auch dieser Vorrat erschöpft war. Darauf begann er die schwarzen Schäfte der Rukhs aus der Erde zu pflücken und richtete sie auf den Gegner. Und dann war er von trampelnden Pferden und schreienden Männern umringt, die von den Ställen kamen und unter dem Klang von Hörnern nun ebenfalls in die Schlacht stürmten. Die Leute des Königs wendeten nun ihre Rösser auf der schmalen Kopfsteinpflasterstraße und jagten abwärts, denn sämtliche Männer - die rund fünfhundert, die noch lebten - waren inzwischen beritten, und ihre wilde Flucht den Berg hinab und durch die zerstörten Tore konnte beginnen. Tuck sprang wieder in den Sattel, und mit ihm trieben alle Wurrlinge, von denen nur noch zwölf übrig waren, ihre Ponys in rasendem Tempo den Nordhang hinab durch ein Spalier von Bogenschützen der Rukhs, denen vier weitere Angehörige des Kleinen Volks zum Opfer fielen. Tuck, Danner und Patrel aber blieben am Leben, sie passierten gemeinsam das zertrümmerte Nordtor des vierten Walls und galoppierten durch den Schutt und die Asche der verbrannten Stadt auf den steilen, gewundenen Straßen nach unten. Und hinter ihnen kamen die Männer auf Pferden, in ihrem Rücken die Ghule auf Helrössern, die einzelne Reiter überholten und mit Speeren und Krummsäbeln niedermachten, während andere Soldaten des Königs wendeten und sich ihnen entgegenstellten.
Inmitten der brandgeschwärzten Skelette der Ruinen jagten sie durch das dritte und das zweite Tor, und die Asche stob auf von den fliegenden Hufen. Schon stürmten sie auf das erste Tor zu, das letzte, bevor sie auf den Vorbergen und der Ebene dahinter in Freiheit sein würden. Hier müssen wir hinter Männern aufsitzen, dachte Tuck, denn wenn wir die krummen Wege erst verlassen haben, sind unsere Ponys nicht mehr schnell genug. Und dann kam das Nordtor des ersten Walls in Sicht, und Tuck stockte entsetzt der Atem, und er hielt sein Pony abrupt an, denn dort standen Reihe um Reihe höhnisch grinsende Ghule auf ihren Helrössern.
Nun ritt der König heran, er bremste Sturmwinds Galopp und brachte das Pferd schließlich zum Stehen. Bei aller Verzweiflung sah Tuck mit Freude, dass der König noch lebte. Ihm folgten Gildor, Vidron, der junge Brill und dreihundert weitere, und alle hielten ihre Rösser an, die weiße Atemwolken in die kalte Luft bliesen. Und dahinter rissen die sie verfolgenden Ghule hart an den Zügeln und stimmten ein Siegesgeschrei an - denn die Männer saßen in der Falle.
Vor dem Tor wartete inmitten der reglosen Ghule der Abgesandte mit den ausdruckslosen Augen auf einem Helross. Er wurde nun von einem der Ghule nach vorn gebracht, bis er dem König gegenüberstand. Erneut zuckte das Gesicht des Boten, und dann starrte das Böse den Königstruppen entgegen. Plötzlich endeten die Jubelrufe, und Tuck hörte Gildor schwer atmen. Der Elf trieb sein Pferd nach vorn und hob das Schwert Webe hoch in die Luft. Rubinrotes Feuer brach aus der Klinge, und die Ghule schreckten vor dem Licht zurück. Doch der Abgesandte fauchte einen heiseren Befehl -Scblat! -, und die Reihen blieben geschlossen.
Dann ertönte das Zischen der grässlichen Natternstimme über die Ruinen hinweg. »Du hattest die Wahl, Aurion Rotaug, doch du hast meine Gnade verschmäht. Du unternahmst es, dich mir entgegenzustellen und zu gewinnen, doch der Preis, den du errungen hast, heißt Tod!«
Der junge Brill
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