Mithgar 15 - Drachenbann
ihre männlichen Nachkommen. Auch für sie bedeutete das Sonnenlicht den Tod, wenngleich sie nicht augenblicklich zu Asche zerfielen, weil ihre Drachenhaut sie davor schützte.
Mit der Spaltung waren auch die Vanilerihha, die Silberlerchen, aus dem Darda Galion verschwunden. Ihre Lieder ertönten nicht mehr aus den hohen Zweigen der Greisenbäume, diese süßen Weisen, denen Riatha gelauscht hatte. Als klar wurde, dass sie nicht mehr zurückkehren würden, entschloss sich Riatha, im Ardental zu leben.
Jahrhunderte verstrichen, viele Jahrhunderte, in denen Riatha die Kunst des Silberschmiedens erlernte, des Gesangs und Harfenspiels, des Gärtnerns, des Säens und Erntens, der Steinmetzkunst, des Umgangs mit Tieren, des Malens, Webens und eine Vielzahl anderer Handwerke. Sie hatte immerhin die ganze Ewigkeit Zeit für ihre Studien - und gerade erst begonnen.
Gelegentlich nahm sie im Lauf der Jahrhunderte auch einen Liebhaber in ihr Bett. Sie war eine junge Frau, und also, wie alle jungen Frauen, gelegentlich von Lüsten und Begierden und zärtlichen Gefühlen getrieben. Diese junge Elfe würde ewig leben und dennoch jung bleiben. Also war es nur natürlich, dass sie im Laufe eines Jahrhunderts und des Wechsels der Jahreszeiten den ein oder anderen Liebhaber erwählte. Doch wirklich geliebt hatte sie noch nicht.
Immer wieder flammten Kriege in Mithgar auf, wenngleich die meisten nur wenig Einfluss auf das große Ganze hatten und eher Scharmützel waren. Folglich hatten Riatha im Ardental und Talar im Darda Erynian nur wenig damit zu schaffen.
Selbst der Krieg des Usurpators berührte ihre Interessen nicht, wenngleich andere Elfen mit hineingezogen wurden.
Vielleicht aber ritten Riatha und Talar auch eben deshalb nicht in diesen Krieg, weil andere Lian in ihm kämpften. Denn die Menschheit vertrug nur eine hintergründige, kaum spürbare Anleitung.
Gelegentlich jedoch nahm Riatha Dünamis und zog mit ihrem Schwert zu einem Missionszug.
Ebenso, wie ihr Bruder es tat.
Was auch nur zu erwarten war, denn schließlich hüteten die Lian-Wächter die Welt und beschützten Adons Geschöpfe davor, sich zu vernichten.
Dennoch waren all diese Abenteuer, die Riatha bestand, nur Stationen auf dem Weg zu keinem vornehmlichen Ziel. Hätte sie den Lauf der Zeit verfolgt, so hätte sie gewusst, dass mehr als vier Jahrtausende verstrichen, seit sie auf die Mittelebene gekommen war, einundvierzig Jahrhunderte, oder vielleicht auch zwei- oder dreiundvierzig. Diese lange Spanne war verstrichen, als schließlich Ereignisse dräuten, welche die ganze Schöpfung erschüttern sollten. Doch wie die anderen ihres Volkes auch hatte sie dem Fortgang der Zeit nur wenig Beachtung geschenkt. Selbst als mehr denn vier Jahrtausende verstrichen waren, stand sie doch nach wie vor am Beginn ihres Lebens, ohne zu bemerken, an welch entscheidenden Kreuzweg sie nun gekommen war.
Denn der Große Weber hatte in dieser Spanne viele bedeutende Fäden aufgenommen und wirkte sie jetzt zu einem Teppich des Schicksals, der das zukünftige Gesicht der Welt bestimmen sollte.
Eines Tages kam ein Bote aus dem Darda Erynian ins Ardental. Er überbrachte Riatha eine Botschaft von Talar. Die schlanke, goldblonde Elfe blickte voller Freude auf die Schriftrolle, die ihr ebenso schlanker wie blonder Bruder ihr geschickt hatte.
Sie brach das Siegel und las die Worte, die jedoch keinen Grund zur Freude gaben.
Riatha,
es lebt ein Monster irgendwo im Grimmwall, das die Unschuldigen und Schutzlosen jagt. Ich spreche hier nicht von den Draedan in Drimmenheim, sondern von einem wahren Schlächter. Meine Schwester, sollte mir etwas zustoßen, dann mache dich auf die Suche nach Baron Stoke, denn er ist das Böse, das ich jage.
Talar
Eine kalte Hand schien Riathas Herz zu packen, und dabei tauchte das Gesicht ihres Bruders vor ihrem inneren Auge auf. Seine grauen Augen schimmerten stählern.
Zwei Jahre verstrichen, dann noch ein weiteres, insgesamt zwölf Jahreszeiten, von Talar aber kam keine weitere Kunde zu ihr. Wo er war und was er tat, sie wusste es nicht.
Es war Sommer, und Riatha bereitete sich mit den anderen Lian auf einen Kampf vor. Ihre Gedanken drehten sich um Strategien und Pläne. Doch als sie ihr Schwert holte, fiel ihr Blick auf Talars Schriftrolle in der Truhe. Sie las sie erneut, und wieder verkrampfte eine dunkle Vorahnung ihr Herz. Sie tat dieses Gefühl jedoch damit ab, dass es allein die Sorge um sein Wohlergehen wäre. Dann legte
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