Mithgar 15 - Drachenbann
sie die Schriftrolle wieder zur Seite und setzte ihre Vorbereitungen fort, denn die Elfen aus Ardental hatten sich mit den Menschen aus dem Wilderland verbündet, um an jenem Tag den Ödwald von den Rüpt zu reinigen, die Karawanen und Reisende überfielen, die auf der Querlandstraße durch diesen düsteren Wald zogen. Da sich im Ödwald viele Rucha, Loka, Ghülka, Trolle und dergleichen verbargen, musste man damit rechnen, dass dieser Feldzug mehrere Monate dauern würde.
Zudem hielten sich die Gerüchte, dass unter den Rüpt im Ödwald einer der letzten Gargoni lebte, ein ebenso gefährlicher Fürchterich wie der Draedan von Drimmenheim. Die Lian hatten keinen Magier in ihren Reihen, der sich dieses Monsters hätte annehmen können.
Gerade schnallte sich Riatha Dünamis auf den Rücken, als Aravan mit seinem Kristallspeer in der Hand in ihre Kate trat. »Fertig?« Sie nickte, und gemeinsam traten sie in das Licht der Sonne hinaus, wo ihre Pferde warteten.
Die berittenen Lian-Wächter durchquerten das Tal, erklommen die westliche Flanke und ritten durch den in den Fels geschlagenen Tunnel, von wo aus sie den nordöstlichen Rand dieses gefährlichen Waldes bald erreichen würden. Und mitten in dieser grimmigen Prozession befanden sich auch Riatha und Aravan.
Nach dem Sommer, in dem die Rüpt aus dem Ödwald vertrieben wurden, kam der Herbst, in dem sich Riatha mit der Ernte beschäftigte. Sie hatte noch immer keine neue Kunde von Talar, doch er war ja ein erfahrener Krieger, der kein leichtsinniges Risiko eingehen würde. Dennoch, noch nie hatte sie so lange nichts von ihm gehört.
Schließlich kam jener schreckliche Tag.
Riatha kehrte gerade von den Feldern zurück, wo sie das Getreide gesenst hatte, als sie auf die Knie gezwungen wurde. Ihre Haut schien zu brennen, ihr Herz hämmerte, und der reinste Horror wälzte sich über sie hinweg. Durch Augen, die nicht die ihren waren, sah sie das Gesicht eines Mannes, ein schmales, blasses, wölfisches Gesicht mit gelben Augen, das sich zu einem wahnsinnigen Lachen verzerrte; das Gesicht eines tödlichen Widersachers.
In seinen langen Fingern hielt er ein Abhäutmesser mit dünner Klinge.
Stoke!, kam eine lautlose Botschaft.
Der Schmerz begann an ihren Fußsohlen und stach wie spitze Lanzen ihre Beine hinauf, als würde ihr die Haut bei lebendigem Leib abgezogen werden. Sie kreischte vor Qual auf, schlug die Hände vors Gesicht; die anderen Lian eilten an ihre Seite, doch tun konnten sie nichts.
Unerträglicher Schmerz brannte von ihren Füßen ihre Beine hinauf, während man ihr die Haut abzog, dann weiter, ihren Rücken entlang, über ihre Schultern und Arme bis zu den Händen; schließlich auf der Stirn, dem Gesicht und Hals, dann über ihre Brust hinab bis zum Bauch. Sie kreischte und schrie, wurde bei lebendigem Leib gehäutet, bis der Schmerz ihr ganzes Sein ausfüllte. Wimmernd fiel sie zu Boden und in eine kochende, blutrote Hölle, während das schiere Entsetzen ihren Geist ausfüllte, dazu Furcht, Hass und eben dieser unsägliche Schmerz.
Dann wurde sie durchbohrt, aufgespießt: dieses fürchterliche Instrument drang plötzlich aus ihrem Bauch.
Ein letzter, erlöschender Schrei gellte durch ihren Geist. Stoke…!
Nichts. Der Schmerz war fort. Das Entsetzen jedoch, es blieb.
Sowie auch der Hass und die Wut.
Riatha weinte, wütete und schrie vor Qual und Verzweiflung. Denn sie hatte einen Todessermon erhalten: Talar war bestialisch ermordet worden.
Von Stoke.
Drei Jahre verstrichen, achtunddreißig Monde. In dieser Zeit suchte Riatha nach Stoke.
Sie durchstreifte systematisch den Grimmwall, lauschte auf jedes Gerücht, das von einem Feind munkelte, jedoch vergeblich.
Doch der Wintereinbruch trug auch ein Wispern zu ihr: Vulfcwmb, in Aven, zischte es. Er ist wieder da. Der Baron.
Ein Schneesturm tobte, als Riatha auf die zerstörten Karren stieß, deren Zugpferde abgeschlachtet worden waren. Unter einem der umgestürzten Wagen jedoch fand sie einen bewusstlosen Wurrling, Tomlin - Kiesel.
Ihre Geschichte wurde an anderer Stelle zur Genüge erzählt; es reicht also aus zu sagen, dass sie den verwundeten Wurrling nach Vulfcwmb in Sicherheit brachte. Dort wurde er gesund gepflegt und man sagte ihm, dass Vulgs und die Rüpt die Wagenkarawane angegriffen, seinen Vater und seine Mutter sowie seine Dammia Petal und ihren Vater weggeschleppt hatten.
In Vulfcwmb gesellte sich ein Baeron zu Riatha und Tomlin, Urus, der ebenfalls Stoke suchte. Auch
Weitere Kostenlose Bücher