Mithgar 16 - Drachenmacht
sind sie auf jeden Fall tot. Besser eine Chance unter tausend Möglichkeiten als gar keine. So sprich, Nimue, ich höre zu.«
Es gibt eine Blume, die nur des Nachts blüht: Nyktohrodon, die Nachtrose. Mische eine Blüte dieser Blume mit einem Blatt der Güldminze; dadurch vermischen sich die verfeinerten Mächte der Nacht mit der strahlenden Kraft des Tages.
Braue eine Tee daraus, je ein Blatt von beiden für je eines der Opfer. Tauche das Amulett hinein, wenn die Flüssigkeit siedet, denn ich habe den Stein berührt, und so wird er jetzt bei der Vereinigung helfen.
Die Vergifteten sollen diesen Tee in drei aufeinanderfolgenden Nächten trinken. Dann wartet fünf Tage und wiederholt die Prozedur.
Doch gebt Acht: Die Behandlung wird große Qualen verursachen, und darin liegt ihre zweischneidige Natur: Der Schmerz allein vermag die Sterblichen zu töten.
»Aber der so gemischte Tee vermag auch zu heilen?«
Ja.
»Wo finde ich dieses Nyktohrodon? Wie sieht es aus?« Westlich von hier liegt eine schmale Schlucht… »Ich war da.«
In der Schlucht, nah an ihrem Rand, blüht die Nachtrose …
»Und ihre Farbe?« Mondweiß.
»Muss ich etwas Besonderes beachten?«
Pflücke nicht die Blume selbst, sondern nimm nur das, was du brauchst. Acht Blüten, von acht verschiedenen Pflanzen … und zwar in der Dunkelheit, bevor der Mond aufgeht, denn auf die Blüten darf kein Mondlicht fallen, sonst verlieren sie ihre Macht, bis sich die Blüte in der nächsten mondlosen Nacht wieder öffnet. Und lass auch die Sonne nicht auf deine Ernte scheinen, sonst werden sie ebenfalls unwirksam. Wickle die Blüten in ein dunkles Tuch, um sie hierherzubringen. Und lass sie darin eingewickelt, bis du sie benutzt. Dies tu nur bei dunklem Mond und dunkler Sonne.
»Gibt es noch etwas zu beachten?«
Aye. Wenn du in der Nacht gehst, um die Blumen zu holen, so gib Acht, denn im Dunkel der Schlucht treiben böse Dinge ihr Unwesen.
»Geschöpfe aus Neddra?«
Die meisten. Aber nicht alle.
»Ich werde wachsam sein. Gibt es etwas, das du von uns erbitten möchtest?«
Nur dies: Wenn Ihr fertig seid und die Sterblichen gesund oder tot sind … dann möchte ich, dass ihr in meinem Reich keine Flammen mehr entzündet.
»Aravan, sprichst du mit Faeril oder Gwylly?«, hörte Aravan plötzlich Riathas Stimme hinter sich. »Sind sie aufgewacht?«
Aravan blickte die Elfe an, die sich auf den Ellbogen stützte und zu den Wurrlingen hinüberspähte. Nach einem Atemzug wandte er den Kopf, aber das Schattenwesen Nimue war schon verschwunden, wohl geflohen. Aravans Blick zuckte zu der großen Eiche hin, und er glaubte zu erkennen, wie dort ein Dunkel rasch zwischen den hohen Zweigen verschwand.
Urus beschattete seine Augen mit der Hand. »Die Sonne geht unter.«
Aravan stand neben dem Baeron und blickte in die Schlucht hinab. Seinen Speer Krystallopyr hatte er sich über den Rücken geschlungen. »In einer Stunde ist es dunkel. Der Mond wird erst zwischen Mitternacht und der Morgendämmerung aufgehen. Wir haben etwa neun Stunden Zeit, die Blüten der weißen Nachtrose zu finden.«
Jeder trug seinen Kletterharnisch, obwohl sie geplant hatten, dass Aravan allein in den Spalt steigen und so viel Blüten sammeln sollte, wie er nur konnte, während Urus über ihm aufpasste und die Leine hielt.
Die Dämmerung senkte sich über die Berge, und kurz darauf wurde es finster. Schon bald schimmerten nur noch die Sterne auf die beiden herab.
Sie traten vor bis zum Rand der Schlucht, spähten hinab und suchten nach den weißen Blüten.
»Wann werden sie aufgehen?«, fragte Urus.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Aravan. »Das hat Nimue nicht gesagt.«
Eine Stunde war verstrichen, als Urus plötzlich zischte: »Da, seht.«
In der Felswand, etwa drei Meter unter seinen Füßen, hatte eine weiße Blume ihren Kelch geöffnet und reckte nun ihre Blüten dem Licht der Sterne entgegen, als suchte sie deren schillernden Schein.
Rasch hackte Urus das Seil in Aravans Harnisch ein, und der Elf ließ sich rückwärts über den Rand hinab.
Als er die Blume erreichte, sog er ihren Duft ein. »Sie riecht ein wenig wie eine ganz gewöhnliche weiße Rose«, rief er leise zu Urus hinauf. »Nur noch feiner.«
Sorgfältig pflückte Aravan ein einzelnes Blütenblatt ab und schob es in die Tasche seines Wamses. Dann kletterte er wieder zum Rand hinauf.
Dort schichteten sie einen kleinen Steinhaufen auf, um die Stelle zu markieren, damit sie von dieser Blume nicht
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