Mithgar 16 - Drachenmacht
letzte Lasttier in der Reihe, während Aravan Urus’ Dromedar an das letzte Packkamel band, das ihm folgte. »Kam! Kam!«, riefen sie und trieben die prustenden Tiere an aufzustehen.
Dann ritten sie in den engen, steilen Spalt hinein. Zuerst Aravan und Faeril, dann drei Packkamele, hinter denen ein Dromedar hertrottete, und danach Halid und Gwylly, mit drei Packkamelen und zwei Dromedaren, denn Reigos Reittier hatten sie ebenso an die Lasttiere gebunden wie dasjenige von Riatha.
Es wurde dämmriger, als sie in den Spalt hineinritten, und die Wände waren etwas kühler. Obwohl dies mitten am Tag geschah, fühlte sich die Luft in dem schmalen Spalt richtig kalt an. Sie ritten hinab, über einen von Felsen übersäten Boden, und suchten sich einen Weg zwischen Felsbrocken und Platten, während zerklüftete Steine über ihnen hinausragten. Das unausgesetzte Prusten und Schnauben der Kamele hallte laut durch die gewundene Schlucht und wurde von den Wänden noch so verstärkt, dass es klang, als käme hier eine gewaltige Karawane, auch wenn die Tiere mit ihren weichen Hufen keinerlei Geräusche machten. Dafür sorgten ihre Schreie umso mehr dafür, dass aus ihrem Nahen kein Geheimnis gemacht wurde. Während sie also leise gingen und laut brüllten, ritten sie tiefer in den kühlen Schatten hinein, über den schmalen, anstrengenden Pfad, während über ihnen eine zerklüftete Felskante den fernen Himmel zeigte.
Schließlich sah Faeril eine große, vertikale Öffnung vor sich, hinter der gleißendes Tageslicht herrschte, was ihr verriet, dass sie endlich das Ende der Kluft erreicht hatten. Sie ritten in die sengende Hitze der Sohle hinaus. Das Sonnenlicht blendete sie und schmerzte in den Augen. Mit tränenverschleiertem Blick sah sie zwei Gestalten, die sich ihnen näherten, und nur aufgrund ihrer Stimmen wusste sie, dass es sich tatsächlich um Urus und Riatha handelte.
Halid und Gwylly ritten ebenfalls aus dem Spalt, und Gwylly kniff die Augen zusammen. »Hoy!«, rief er. »Es ist so hell, dass ich nichts sehe, und außerdem ist es so heiß wie in einem Brennofen!«
Die Augen der Neuankömmlinge stellten sich noch auf das gleißende Tageslicht ein, während Riatha und Urus ihre Dromedare holten. Die stinkenden Tiere prusteten und grunzten ihre Proteste heraus, weil sie niederknien und dann wieder aufstehen mussten.
»Irgendwo im Süden haben wir das Rauschen eines Wasserfalls gehört«, brummte Urus. »Und in derselben Richtung liegen auch Bäume. Reiten wir dorthin und schlagen unser Lager da auf.«
Sie ritten über einen langen Geröllhang bis zur Sohle der Schlucht, wo zwischen dornigem Gestrüpp spärlich Gras wuchs. »Erstklassige Kamelweidegründe«, meinte Gwylly. Halid stimmte ihm zu.
Sie ritten etwa eine Meile über den glühendheißen Boden der breiten Schlucht, die hier von Rand zu Rand über eine halbe Meile maß. Rechts und links von ihnen erhoben sich steile Wände aus braunem Gestein mehr als dreihundert Meter in die Höhe. Die Vegetation veränderte sich allmählich, wurde saftiger. In der Ferne sahen sie eine Reihe von Bäumen: Es waren keine Palmen, sondern ganz andere Gewächse. Und je weiter sie kamen desto lauter wurde auch das Rauschen eines Wasserfalls, als würden sie sich allmählich der Quelle nähern.
Schließlich erreichten sie die Bäume und ritten in ihren Schatten.
»Gras!«, rief Faeril. »Echtes Gras. Ich habe schon geglaubt, dass die ganze Welt nur aus Felsen und Sand bestünde …
Aber Aravan, was sind das für Bäume?«
»Kandra«, erklärte der Elf. »Das ist ein Sandra-Holz.«
Die Bäume waren so groß und ausladend wie Eichen. Doch es waren keine Eichen, sondern eine vollkommen andere Baumart. Die Sandra-Blätter waren klein und wie Schaufeln geformt, oder wie abgerundete Pfeilspitzen aus Stein, grün auf der Oberfläche und gelb auf der Unterseite. Sie zitterten im Wind wie Espenlaub. Die Borke der Bäume war glatt und braun, ihre dicken Stämme am Fuß ein wenig gewölbt. Knorrige Wurzeln gruben sich in den Boden. »Das Holz dieser Bäume ist goldgelb, sie haben eine dichte Maserung und es scheint einen natürlichen Glanz zu besitzen, als würde es ein Öl enthalten, obwohl es nicht brennt. Es ist ein sehr kostbares Holz und wird nur hier auf Mithgar gefunden. Nur das Holz der Greisenbäume ist noch wertvoller.«
Sie wandten sich nach rechts, folgten dem Geräusch des Wasserfalls und kamen an einen breiten Strom mit klarem Wasser, der sich unter dem Schatten der
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