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Mittagessen Nebensache

Mittagessen Nebensache

Titel: Mittagessen Nebensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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verdächtig die Kehle zusammen, aber ich gab mich betont munter. »Sie Ärmster, ich kann mir gut vorstellen, wie Ihnen zumute ist. Um Anne brauchen Sie sich nicht zu sorgen, es geht ihr gut. Paul hat es ihnen sicher schon gesagt?«
    »Ja, er sagte mir, sie sei dort hingegangen, wo sie jederzeit sofort Hilfe finden kann. Das ist vermutlich auch das klügste, was sie im Augenblick tun konnte, nachdem sie nun einmal darauf besteht, ihr Kind an einem solchen Ort zur Welt zu bringen.«
    Das war zwar nicht sehr taktvoll ausgedrückt, aber zumindest versetzte er mich damit in die Lage, meiner rührseligen Anwandlung Herr zu werden. »Anne will ganz einfach ihr Kind dort zur Welt bringen, wo wir unsere Kinder auch zur Welt gebracht haben. Gewiß, sie hat natürlich eine andere Erziehung genossen als wir, aber sie möchte alles Vergangene nun endlich einmal hinter sich lassen. Sie liebt Tim und möchte weiter nichts, als mit ihm zusammen ungestört ihr eigenes Leben leben.«
    Einige Minuten lang verdaute er schweigend diese Eröffnung. »Aber es will sie doch überhaupt niemand von Tim trennen«, sagte er endlich. »Schließlich sieht ja jeder, wie gut die beiden zusammenpassen. Aber was hat denn mein ganzes Vermögen für einen Sinn, wenn mir nicht erlaubt sein soll, meinem einzigen Kind damit das Leben leichter zu machen.«
    »Annes Leben ist keineswegs hart, Colonel. Es ist völlig normal.«
    »Es ist mir ein Rätsel, daß sie es nicht vorzieht, das Kind in ihrem eigenen Zimmer zur Welt zu bringen, in Gegenwart einer eigens für sie engagierten Schwester und eines Arztes. Statt dessen geht sie in eines dieser Entbindungsheime — oder wie man so was nennt. Alle möglichen Leute gehen dorthin, und ich vermute fast, dort liegen die Frauen zu zweit oder gar zu dritt im gleichen Zimmer. Wer weiß, mit wem man Anne zusammensteckt. Ich begreife nicht, warum Anne ausgerechnet in einer solchen Umgebung ihr Kind zur Welt bringen will, warum ihr gerade das Spaß macht. Ihre Mutter hat meine beiden Kinder in ihrem eigenen Bett zur Welt gebracht.«
    Er sah wohl wieder jenen unvergeßlichen Tag vor sich, an dem sein Sohn geboren wurde, und dann, sechs Jahre später, Anne. Meine Kehle schnürte sich zusammen, aber ich überwand meine Rührung. »Nun, Spaß machen wird es ihr sicher nicht, aber sie möchte eben ganz eine der Unseren sein, selbst wenn es sie auch hart ankommen sollte. Und vor allem können Sie Anne zu nichts zwingen. Wenn sie sich entschlossen hat, ihr Baby auf diese Weise zur Welt zu bringen, dann wird sie es durchführen. Sie ist sehr eigenwillig. In dieser Hinsicht gleicht sie Ihnen sehr, Colonel.«
    Es gab in diesem Augenblick eine Menge Dinge, die ihm endlich jemand sagen mußte, und dazu brachte ich den Mut auf — um Annes willen. Er nahm es erstaunlich ruhig hin. Zum Schluß stellte ich doch mit einigem Schuldbewußtsein fest, daß er wirklich wie ein alter Mann aussah. »Nun, da werde ich mich also bessern müssen«, murmelte er. »Natürlich, sie braucht auch ihr Eigenleben. Die beiden wollen allein sein. Und das Baby wird ja auch Tims Erbe sein, nicht nur meiner — und sein Sohn.«
    »Oder seine Tochter!« betonte ich nachdrücklich. »Aber spielt das denn überhaupt eine Rolle — ob Sohn oder Tochter? Sie werden jetzt nicht mehr darüber streiten, ja? Denken Sie an das berühmte Salomonische Urteil. Sie erinnern sich doch an die Geschichte von den beiden Frauen, die sich nicht darüber einigen konnten, wem von beiden der Sohn gehören sollte.«
    Er lachte. »Das wären ja schreckliche Aussichten.« Dann klopfte er mir väterlich auf die Schulter, verabschiedete sich rasch und ging.
    Draußen tauchte Paul auf und brachte ihn bis zur Gartenpforte. Sie unterhielten sich noch eine Weile. »Na, du scheinst dem alten Knaben ja einige Weisheiten beigebracht zu haben«, meinte er später. »Vielleicht ist sogar etwas davon auf fruchtbaren Boden gefallen. Seltsam, daß manche Leute, die selbst unbelehrbar sind, anderen recht erfolgreich zu predigen verstehen.«
    Ich fragte ihn pikiert, wieso er mich für unbelehrbar halte. »Weil du dich immer wieder um die Angelegenheiten fremder Leute kümmerst«, erwiderte er.
    Gegen fünf Uhr rief Larry an. Paul winkte ab und ging selbst an den Apparat. »Ja, beide«, hörte ich ihn sagen. »Zuerst Tim, dann der Colonel. Ja, es wird ihr bestimmt nicht leichtfallen, aber es geht ja gar nicht anders. Sie würden sonst sofort zu ihr hinfahren wollen.«
    Seine Stimme klang überaus

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