Mittagessen Nebensache
schon dort gewesen, hatte aber durch uns einen Vorwand, der jungen Mutter gleich schon wieder einen Besuch abstatten zu können. Tim hatte sich in der Klinik häuslich niedergelassen, bis er schließlich vom Personal hinauskomplimentiert wurde. In ein paar Tagen käme er nach Hause, verriet er uns, und dann würde der Colonel in der Stadt bleiben.
»Der eine kommt, der andere geht«, kommentierte Larry. »Hoffentlich ist der Colonel vernünftig genug, diese Regel auch für später zu beherzigen. Wie schön, wenn Anne erst zu Hause sein wird.«
Aber die beiden Männer entschieden, daß damit noch eine Weile gewartet werden müsse. Zunächst solle Anne drei Wochen in der Klinik bleiben und anschließend noch eine Woche bei der überaus ergebenen Mrs. Brown, die täglich in der Klinik erschien und die sofort ihrer Tochter Gladys geschrieben hatte, je eher sie Annes Beispiel folge, um so besser sei es.
Anne sah blendend aus, sie lag im Bett und strahlte uns glücklich an. Humorvoll schilderte sie uns, auf welch schonende Weise ihr der Arzt das Ergebnis der Röntgenuntersuchung beizubringen versucht hatte.
»Er machte einen schrecklich besorgten Eindruck und schien das Gefühl zu haben, daß mir diese Nachricht einen fürchterlichen Schock versetzen würde. Wie sehr ich mich darüber freuen würde, konnte er natürlich nicht wissen. Ist es nicht wundervoll, gleich eine richtige Familie zu haben? Jetzt kann ich wenigstens von >den Kindern< reden. Eigentlich hätte ich mir das ja denken können, aber ich war der Meinung, daß die meisten Frauen in dem Zustand so aussehen. Aber als ich es dann wußte, fürchtete ich, Tim würde es die Sprache verschlagen. Darum hielt ich es für richtiger, ihn ganz einfach damit zu überraschen.«
»Und das ist dir auch hundertprozentig gelungen«, erwiderte ich. »Du hättest ihn nur hören sollen, als er mich anrief. Ich hatte gar keine Ahnung, daß Tim stottert. Immer wieder sagte er >Z-Zwillinge< und >z-zwei B-Babys<, als ob ich diese Worte nie vorher gehört hätte.«
»Ich glaube, ich bin die glücklichste Frau auf der Welt«, seufzte Anne, und ihr Blick umfaßte voll mütterlicher Zärtlichkeit die beiden winzigen Geschöpfe mit den krebsroten, kummervollen Gesichtern, die eben von der freundlichen Schwester ins Zimmer gebracht wurden.
»So herrlich gesund«, stellte die Schwester zufrieden fest. »Und sie sind sich gar nicht ähnlich. Das Mädchen ist ganz die Mama, und der Bub ganz der Papa.«
Wir stimmten ihr zu, obwohl wir uns später eingestanden, daß es uns noch niemals gelungen war, irgendwelche individuellen Züge bei einem wenige Tage alten Säugling zu entdecken. Sie sahen doch alle gleich aus, und im übrigen war es kein Kompliment für gutaussehende Eltern, wenn man zwischen ihnen und ihrem frischgebackenen Baby eine Ähnlichkeit feststellte.
»Und denkt euch, Tim hat eine Säuglingsschwester engagiert — Tim, und nicht Papa«, rief Anne triumphierend. »Aber ich werde sie sicher nicht länger als zwei Monate brauchen, ich weiß ganz genau, daß meine beiden Babys sehr brav sein werden. Es ist natürlich angenehm, wenigstens am Anfang eine Hilfe zu haben.«
»Und wo wird der Colonel wohnen, wenn du noch eine Woche bei Mrs. Brown bleibst?«
»Ganz in der Nähe ist ein gutes Hotel, und Mrs. Brown hat gesagt, er sei jederzeit zu einer Tasse Tee willkommen. Sie ist ganz begeistert von Papa. Er hat ihr herzlich gedankt, weil sie sich in den ersten Tagen so lieb um mich gekümmert hat, und nun behauptet sie, er sei noch ein Kavalier der alten Schule. Ich bin nun auf sein Gesicht gespannt, wenn er das Foto von Gladys sieht. Aber das schadet ihm gar nichts.«
Zweifellos würde der Panjandrum auf diese Weise mit dem ungeschminkten Leben in Berührung kommen, aber dieser Gedanke schien ihm erstaunlicherweise nicht einmal unsympathisch zu sein. Seit er überraschenderweise zweifacher Großvater war, wirkte er auffallend verjüngt.
Auf der Heimfahrt sagte er nachdenklich: »Für mich sieht eigentlich ein Baby aus wie das andere, aber ich kann mich doch noch lebhaft an Anne erinnern, als sie eine Woche alt war. Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie ein besonders hübsches Kind sei, aber die Schwester und ihre Mutter waren gegenteiliger Meinung.«
»Schwestern bekommen so viele Babys zu Gesicht und wissen darum Bescheid«, erklärte ich. »Sie haben ja eben gehört, was von Ihrer Enkeltochter behauptet wurde — ganz die Mama.«
Der Colonel nickte. »Genau dasselbe,
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