Mittagessen Nebensache
selbstzufrieden. Um so überraschter war ich dann, als er plötzlich beleidigt ausrief: »Aber da gibt es doch nichts zu lachen. Nein, Anne hat noch nicht angerufen. Ist ja noch viel zu früh. Wie...? Nein, heute abend kommst du nicht herüber. Schließlich sind wir ja hier kein Wirtshaus. Geh ins Bett, Mädchen, und mach dir keine unnötigen Sorgen. Es ist alles in bester Ordnung.«
Sehr mit sich zufrieden kam er zu mir zurück. »Sie wollte heute abend unbedingt herüberkommen, um auf Annes Anruf zu warten, aber das habe ich ihr ausgeredet. Wie? Selbstverständlich auf sehr taktvolle Art.«
Glücklicherweise fühlte Larry sich längst als zur Familie gehörig und würde deshalb auch nicht zu sehr beleidigt gewesen sein.
Gegen sieben rief Anne an. Ihre Stimme klang müde, obwohl sie versicherte, es ginge ihr ausgezeichnet. Die Fahrt sei lang und anstrengend gewesen, aber der Wagen hätte durchgehalten.
»Bist du dort in dem Heim, wo Larry gewesen ist?« fragte ich.
»Nein, es war kein Platz frei, und — ehrlich gesagt, Susan — ich bin sogar froh darüber. Als ich ankam, saßen drei Frauen auf der Veranda und starrten mich so merkwürdig an. Ich kann ihnen ja keinen Vorwurf machen, aber... «
»Wo steckst du denn dann, Anne? Ich behalte es natürlich für mich, wenn du willst.«
Am anderen Ende der Leitung ertönte ein leises Lachen. »Ja, für ein oder zwei Tage behältst du es besser für dich. Ich spreche von der Post aus. Natürlich bin ich erst nach Einbruch der Dunkelheit losgezogen, vom Haus aus mochte ich nicht telefonieren. Ach Susan, es ist ziemlich gemütlich dort. Papa würde allerdings schockiert sein, aber mir gefällt es.«
»Aber wo ist es denn, um Himmels willen? Du bist doch wohl nicht in ein Hotel gegangen?«
»O nein. Die Heimleiterin meinte, daß man mich in einer Pension auch nicht gern sehen würde. Mrs. Brown nähme freundlicherweise stets ihren Überschuß auf. übrigens, ist das nicht ein köstlicher Ausdruck? Immer nur eine Dame, und im Augenblick bin ich also diese >Dame<. Sie redet mich bereits nur noch mit >Liebling< an. Heute nachmittag haben wir schon eine gemütliche Teestunde in ihrer Küche verbracht. Sie ist wirklich nett, Susan. Und mein Zimmer ist voller Zierdeckchen und Sofaschoner, aber dafür hat es keinen großen Spiegel. Und das Bett ist himmlisch. Ich werde jetzt gleich schlafen gehen.«
»Und was soll ich Tim sagen?«
»Hast du ihn gesehen, Susan? Und Papa auch? Oh, du Ärmste, da wirst du einiges ausgestanden haben. Machen sie sich große Sorgen? Und sind sie recht ärgerlich? Nicht ärgerlich, nur traurig? Ach Susan, mir ist zum Heulen. Ich fühle mich so einsam und vermisse sie sehr, aber trotzdem war es bestimmt richtig, was ich getan habe. Ich rufe sie morgen oder übermorgen an. Und sage ihnen, daß es mir wirklich gut ginge, eine nette Frau kümmere sich um mich, die Klinik sei ganz in der Nähe, und für morgen hätte ich mich beim Arzt angemeldet.
Am nächsten Tag herrschte ungetrübter Frieden, aber dafür verging er unsagbar langsam. Abends rief Anne wieder an und sagte mir, daß sie doch recht gehabt habe mit ihrer Vermutung — das Baby würde schon früher kommen. »Aber kein Wort davon zu Tim oder Papa! Grüße sie. Ich habe mich heute den ganzen Tag ausgeruht und rufe die beiden morgen abend ganz bestimmt an. Sie sollen mir nur vertrauen.«
»Schön. Aber das ist bestimmt hart für sie. Und wie kommst du mit Mrs. Brown aus?«
»Oh, sie ist wirklich rührend. Sie habe werdende Mütter so gern, weil sie sie so romantisch fände, sagt sie. Sie hat mir ihr Familienalbum gezeigt und behauptet, ich würde sie an ihre Jüngste erinnern, an Gladys, und es würde höchste Zeit, daß Gladys nun auch eine Familie gründe. Sie behauptet, die Ähnlichkeit zwischen Gladys und mir sei frappant. Ein schwerer Schlag für mich, Susan. Du solltest Gladys nur mal sehen!«
Sie schien heute abend fröhlicher zu sein, obwohl ich den Eindruck nicht loswurde, daß ihre ganze Art ziemlich erregt, ja geradezu fieberhaft war und daß ihr Lachen gezwungen klang.
Am nächsten Abend rief sie, wie versprochen, Tim an, und später dann noch ihren Vater. Was sie mit Tim gesprochen hat, weiß ich nicht, aber er kam am anderen Morgen in aller Frühe herübergefahren. Er schien wie ausgewechselt, befand sich auf dem Weg zu Anne und kam, um Paul zu bitten, sich mit Sam um sein Vieh zu kümmern. Die Kuh hatte er zu einem anderen Nachbarn gegeben, der Colonel würde das Haus
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