Mittelalterliche Klöster: Deutschland - Österreich - Schweiz
Untersuchungen müssen die Dächer über Chor und Mittelschiff bis 1134 errichtet worden sein. Die Vollendung der westlichen Vorhalle ist ungeklärt. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Kirchenraum, insbesondere die Decken von Mittel- und Seitenschiffen mit Stuck und Malereien verziert. Die Säulen des Langhauses, die aus Quadersteinen gemauerten Arkaden, das kräftige horizontale
31 ▲ Reichenau im Bodensee (Baden-Württemberg), Niederzell, Stiftskirche St. Peter und Paul, Blick nach Osten in die Hauptapsis. Die Ausmalung der Apsis gehört zu den großartigen Beispielen mittelalterlicher Wandmalereien in Deutschland. Das später eingebrochene Mittelfenster und der Mäander-Sockel gehören jedoch nicht zur ursprünglichen Fassung.
32 ▲ Reichenau im Bodensee (Baden-Württemberg), Niederzell, Stiftskirche St. Peter und Paul, Ostapsis, Christus in der Mandorla – Detail der Wandmalerei aus der Apsiskalotte. Christus wird hier als Weltenrichter dargestellt, umgeben von den vier apokalyptischen Wesen, die zugleich als Evangelistensymbole zu deuten sind.
|43| Gesims und der verputzte Obergaden zeugen noch vom ursprünglichen Wandaufbau.
Von besonderem kunsthistorischem Interesse sind die erst kurz vor 1900 freigelegten und sofort danach restaurierten Fresken der Hauptapsis ( Abb. 31 ). Sie können grob auf 1104 – 1134 datiert werden. Die Malereien gliedern sich in drei Zonen. Die untere Sockelzone mit aufgemaltem Quadersteinmauerwerk und Mäanderband ist im Zuge der Restaurierungen ergänzt worden. Die mittlere Zone, die durch ein im 15. Jahrhundert eingesetztes Fenster durchbrochen wird, besteht aus zwei Reihen figürlicher Darstellungen von Aposteln und Propheten, die von Rundbogenarkaden eingefasst werden. Die in der oberen Reihe dargestellten Apostel halten Bücher in ihren Händen, die Propheten in der unteren Reihe tragen Judenhüte und führen Spruchbänder. Die hier angedeutete Korrespondenz von Altem und Neuem Testament ist nicht ungewöhnlich. Theophilus Presbyter (1. Hälfte 12. Jahrhundert) gibt im dritten Buch seines Manuals De diversis artibus , in dem er u. a. die Herstellung eines Weihrauchfasses erläutert, ein ähnliches Beispiel, in dem Propheten und Apostel einander korrespondieren.
In der Apsiskalotte, der dritten Zone, thront Christus in einer Mandorla, die Rechte zum Segensgestus erhoben, in der Linken ein geöffnetes Buch haltend, welches einst die heute verblasste Inschrift trug: Ego sum via, veritas et vita – Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben ( Abb. 32 ). Die Mandorla umgeben die vier apokalyptischen Wesen, die auch als Evangelistensymbole gedeutet werden: der Engel für Matthäus, der Stier für Lukas, der Löwe für Markus und der Adler für Johannes. Rechts und links neben Christus stehen zwei Heilige, die als die Schutzpatrone Petrus und Paulus interpretiert werden. In den Zwickeln sind Cherubim, die apokalyptischen Engel, dargestellt.
Die äußerst qualitätvollen Wandmalereien zeichnen sich durch Klarheit in der Komposition, einfache zeittypische architektonische Rahmung der Figuren, lebhafte Darstellung von Gesten und Bewegungen sowie durch eine zurückhaltende Farbigkeit aus.
Sankt Georg in Oberzell
Die im Osten der Insel gelegene Stiftskirche hat eine sehr komplexe Baugeschichte ( Abb. 33 ). Ihre Gründung verdankt sie wohl Abt Heito III., der 896 die Georgsreliquien von einer Romreise mit auf die Reichenau brachte. Papst Formosus (891 – 896) soll sie ihm geschenkt haben. Die heutige Kirche, in der noch große Teile des Gründungsbaus stecken, ist eine im Langhaus flach gedeckte, dreischiffige Säulenbasilika mit einem mächtigen Vierungsturm, zwei niedrigen Querhausarmen, die mit den Seitenschiffen fluchten, und einem quadratischen Altarraum ( Abb. 34 ). Vierung und Sanktuarium sind jeweils um einige Stufen erhöht. Die Altarmensa, ein schlichter Steinblock, stammt aus dem 9. Jahrhundert. Seitlich der Vierungsstufen befinden sich zwei Eingänge zur Krypta, die eine Kombination von Stollen- und Hallenkrypta darstellt, wobei ihr Hauptraum direkt unter dem Sanktuarium liegt. Im Westen wird die Kirche von einer großen Apsis geschlossen, der eine etwas schmalere zweigeschossige Vorhalle vorgelagert ist ( Abb. 35 ). In deren nur von außen zugänglichem
33 ▲ Reichenau im Bodensee (Baden-Württemberg), Oberzell, Stiftskirche St. Georg, Ansicht von Süden. Ein Vergleich mit dem Schnitt in der folgenden Abbildung lässt die Raumgliederung deutlich
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