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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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kann das Essen nicht sein, zuerst wird es gekocht, dann verpackt und ausgeliefert. Das liegt bestimmt schon seit einer Woche in irgendeinem Riesenkühlschrank, denkt Hedi, so einem, wie in diesem Krimi, in dem die Frau ihren Mann umgebracht und seine Leiche in der Tiefkühltruhe versteckt hat. Sie hat den Film mit Gery gesehen. Eine fesche Schauspielerin war das! Heutzutage gibt es ja kaum noch gut aussehende Schauspielerinnen. Nicht wie damals nach dem Krieg. Die heutigen Schauspielerinnen sind allesamt spindeldürr, ohne ordentliche Frisur, immer hängen ihnen die Haare links und rechts hinunter und ins Gesicht. Das ist doch nicht schön! Wenn sie da an die Garbo denkt, was für einen Ausdruck die in den Augen gehabt hat! Oder die Hepburn. Die Bergman, Romy Schneider, Lauren Bacall. Das waren noch Schauspielerinnen, die sollten sie öfter im Fernsehen zeigen! Stattdessen wiederholen sie zum hundertsten Mal diesen fetten bayrischen Kommissar. Und andauernd Werbepausen dazwischen, alle zehn Minuten Stiegl, Toyota und Allianz. Dabei sind die Filme es gar nicht wert, dass man die Werbung abwartet.
    Gut, dass sie Gery hat. Er hat ihr einen Videorekorder besorgt, für diese Scheiben. Wie heißen die? Nein, nicht CDs. CDs sind die, wo Musik drauf ist.
    Wo hat sie nur diese verdammte Brille? Dass sie ihre Augengläser auch ständig verlegen muss!
    »Verwend doch die Kette, die ich dir besorgt hab«, wird Traude wieder die Augen verdrehen. Heute ist Dienstag, da kommt sie bald die Wohnung putzen. Dabei hat Hedi erst gestern alle Böden gesaugt. Aber jetzt liegen schon wieder Zwiebackbrösel rund um den Schaukelstuhl.
    Also. Wo kann die Brille sein? Als sie gestern Abend im Wohnzimmer gesessen ist, hatte sie sie noch. Heute Morgen hat sie etwas länger geschlafen, ist erst um neun Uhr aufgestanden, dann hat sie ein Joghurt und einen Apfel gegessen. Danach noch Zwieback mit Marmelade. Da hat sie die Brille nicht gebraucht. Beim Staubsaugen und Waschmaschineeinräumen auch nicht. Das Essen ist gegen elf Uhr gekommen, danach hat sie die frisch gewaschenen Vorhänge aufgehängt. Traude wird sich wieder aufregen, dass sie die Vorhänge nicht selbst abnehmen und aufhängen soll.
    »Was ist, wenn du von der Leiter fällst und dir den Oberschenkel brichst?«
    Immer muss sie mich bevormunden, ärgert sich Hedi. Als wäre ich ein kleines Kind. Soll sie doch froh sein, dass ich mit meinen zweiundachtzig noch so rüstig bin! Ich lamentier nicht herum wie die anderen alten Weiber, ich red nicht andauernd über meine Krankheiten. Ich kann mir noch alles selbst machen, mein Bett überziehen, die Vorhänge waschen und die Fenster putzen. Nur, weil Traude jeden Tag alle Böden bei sich zu Hause wischt, müssen das doch andere nicht auch tun! Ständig regt sie sich auf, wenn das Klo einmal nicht geputzt ist oder Brösel am Boden liegen: »Ich helf dir eh, Mama, du kannst das nicht mehr allein.« So ein Blödsinn!
    Ah, hier ist die Brille. Wie kommt sie denn da hin? Gut, dass die Traude noch nicht hier ist. Wenn sie die Brille auf dem Spülkasten gefunden hätte! Jetzt fällt es Hedi wieder ein. Sie ist gestern Abend auf dem Klo gesessen und hat gelesen. Hat wieder diesen Durchfall gehabt. Und dann hat sie die Brille eben auf dem Spülkasten vergessen. Ein wenig schlampig ist sie ja immer schon gewesen. Das hat schon die Mutter aufgeregt. »Wie kann man nur andauernd alles verlegen! Du wirst nie einen Mann finden, wenn du so schlampig bist.« Trotzdem hat der Ernst sie geheiratet. In der Ehe ist Hedis Schlampigkeit dann das geringste Problem gewesen.
    »Geliebt hab ich ihn halt nie wirklich«, hat sie erst neulich zu Gery gesagt, als er sie danach gefragt hat.
    Ob es richtig ist, dass sie ihm das alles erzählt? Aber was soll schon falsch daran sein? Es tut gut, mit jemandem über das eigene Leben zu reden, vor allem jetzt, wo der Tod langsam näher kommt. Mit zweiundachtzig kann man ihm nicht mehr aus dem Weg gehen, da lauert er an jeder Ecke. Nicht wie mit fünfzig, da kann man sich, wenn die Ersten sterben, noch einreden, dass man ja gesund ist, noch gut zwanzig, dreißig Jahre zu leben hat. Aber wenn man einmal die Achtzig überschritten hat, zählt die Gesundheit nicht mehr viel. Da fangen die Menschen um einen herum plötzlich mit einer Geschwindigkeit zu sterben an, dass einem ganz schwindlig wird davon. Vielleicht unterhält sie sich deswegen so gerne mit Gery. Bei ihm vergisst sie manchmal, wie alt sie schon ist. Er behandelt sie

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