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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Kutschen und natürlich ein Methodistenpfarrer, der die Trauungen vornehmen sollte, und manche von ihnen waren ziemlich häßlich, was ja zu erwarten war. Aber bis auf einen haben die Cowboys nicht gekniffen und die Konsequenzen gezogen. Ich nenne keine Namen, denn manche der Frauen haben sich später als Stützen unserer Gemeinschaft bewährt«, sagte Freda Beautyrooms und sah sich im Raum um; zweifellos hakte sie im Geist ab, welche der Anwesenden zum Nachwuchs dieser Versandheiraten zwischen rachitischen Cowboys und syphilitischen Huren gehörten.
    »Einmal hatten sie einen sogenannten Tanzabend in dem Tanzlokal des fetten alten Pa Murphy, und die Mädchen sollten Feigenblätter anhaben und sonst nichts. Aber im Panhandle wachsen keine Feigenbäume. Irgendein Trottel ist zum Fluß runtergegangen und hat einen Korb voller Giftsumachblätter gepflückt, und die haben sich ein paar dieser armen Mädchen vorgebunden.«
    Bob Dollar starrte Freda Beautyrooms’ Brosche an, ein großes Art-déco-Rechteck aus perlgrauem Zelluloid mit schwarzer Einfassung. Zwei Winkel aus Rheinkieseln waren von verschiedenfarbigen Fähnchen umrahmt, von Hand bemalt und mit dünnen schwarzen Linien versehen.
    »Der Wirbelsturm, der Roughbug weggeputzt hat, war nicht so schlimm wie der von 1947, der in White Deer anfing und bis Woodward kam. Hat Glazier mitgenommen und Higgins und Woodward beinahe. Und 1949 hat einer in Amarillo gewütet. Die Leute verwechseln sie oft. Und Jahre später hat eine texanische Fluglinie einen Flug nach Las Vegas für neunundvierzig Cent angeboten, vorausgesetzt, man konnte beweisen, daß man den Tornado von 1949 miterlebt hatte. Wally Ooly, der den Drugstore hatte, der war an dem Tag, als es passierte, in Amarillo, und er hat sie beim Wort genommen, ist nach Las Vegas geflogen und erst letztes Jahr wiedergekommen. Kann sich im Panhandle offenbar nicht mehr eingewöhnen und redet davon, daß er wieder weg will. Weg mit Schaden, kann ich da nur sagen.«
    »Ich dachte, der Wirbelsturm wäre 1947 gewesen.« »War er ja.«
    »Und der Tornado, der vor ein paar Jahren über Pampa gerast ist, als die Pickups wie die Mücken durch die Luft flogen? Aber am schlimmsten, heißt es immer, soll der in den siebziger Jahren in Wichita Falls gewesen sein. Fünfzig Tote.«
    »Wenn wir alle schrecklichen Dinge, die in Roughbug passiert sind, aufschreiben wollten, hätten wir tagelang zutun«, sagte Phyllis Crouch, die Mutter des schwangeren Mädchens.
    »Das ist wohl wahr. Und in Woolybucket. Und in Cowboy Rose. Ihr Mädchen seid zu jung, um euch daran erinnern zu können, aber in den zwanziger Jahren hat Joy Spide in Woolybucket einen Friseursalon aufgemacht, wo man sich Dauerwellen legen lassen konnte. Alle gingen da hin, jedes weibliche Wesen mußte so eine Heißwelle haben. Ausnahmslos. Und Joy benutzte damals Zelluloidlockenwickler. Und dann ist es passiert, daß diese Kundin, deren Mann ein großes Stück Land in Roberts County hatte, unter der Lampe saß – so machten sie damals die Dauerwellen, mit chemischen Mitteln und Hitze –, und dabei kam einer der Lockenwickler mit der Heizspirale in Berührung und fing Feuer. Die unter euch, die sich an Zelluloid erinnern, wissen, wie schnell das brennen konnte. Eine richtige Explosion. Und dieser armen Frau stand der ganze Kopf in Flammen. Es war ihre erste Dauerwelle und auch ihre letzte. Ich glaube, sie hat einen Hirnschaden davongetragen. Auf jeden Fall brauchte sie von da an eine Perücke. Wirklich tragisch. Sie ging nicht mehr aus dem Haus. Ihr Mann kam in die Stadt und hat Joys Friseursalon kurz und klein geschlagen. Bis heute gab es nie wieder einen Friseursalon in Woolybucket. Wir müssen fast hundert Meilen fahren, wenn wir zum Friseur gehen wollen«, sagte Rella Nooncaster.
    Bob fiel auf, daß auch sie ein hübsches Schmuckstück aus frühem Plastik trug, ein Halsband mit cremefarbenen und limonengrünen Anhängern.
    »Ich finde, das Beste an Roughbug war Steddys Gemischtwarenladen«, sagte Jane Ratt.
    Die älteren Frauen murmelten zustimmend.
    »Muggs Warenhaus in Woolybucket war auch ein guter Laden«, sagte Mrs. Pecan Flagg schüchtern, eine rundliche Frau mit kohlschwarz gefärbtem Haar und keksgroßen Rougeflekken auf den Wangen.
    »Bob«, sagte LaVon, die zwischen den Polen des Gesprächs wie ein elektrischer Verbindungsbogen hin und her sprang, »der Graindeddy meines Mannes hat dem alten Doktor Mugg den Laden abgekauft. Aber er hieß nie Fronks Laden. Blieb

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