Mitten in der Nacht
vergnügt in kühlem Blau über der zerkratzten Holztür eines Gebäudes, das nur zwei Schritte von der Straße entfernt war.
Der erste Stock brüstete sich mit der typischen Galerie und einem spitzenartigen Eisengeländer. Jemand hatte sie mit großen Tongefäßen aufgeputzt, in denen feuerrote Geranien prunkten, und kleine weiße Lichter entlang des Dachvorsprungs angebracht. Das verlieh dem Haus ein fröhliches, weibliches Aussehen. Genau der richtige Ort, um sich hinzusetzen, ein Glas Wein zu trinken und die Leute zu beobachten, die unten vorbeischlenderten.
Als er die Tür aufmachte, kam ihm ein Schwall rasanter Zydecomusik und der Duft von Knoblauch und Whiskey entgegen.
Auf der kleinen Bühne stand eine Fünf-Mann-Band: Waschbrett, Fiedel, Schlagzeug, Gitarre, Akkordeon. Die kleine Tanzfläche wimmelte bereits von Leuten, die den schnellen, ausgefallenen Twostepp tanzten, nach dem die Musik schrie.
Im Schummerlicht erkannte er, dass keiner der runden Holztische an der Seite mehr frei war. Er wandte sich der Theke zu. Das Holz war fast schwarz vor Alter, aber es glänzte. Ein Dutzend Hocker standen dicht beisammen. Declan schnappte sich den einzigen, der noch unbesetzt war, ehe ihn ein anderer in Beschlag nahm.
An der Spiegelwand hinter dem Tresen wechselten sich die Flaschen mit Salz-und-Pfeffer-Streuern in allen nur erdenklichen Variationen ab. Ein elegantes Paar in Abendkleidung, Hunde, Rocky und Bullwinkle, Porky und Petunia, die runden, nackten Brüste einer nach hinten gebeugten Frau, Karnevalsmasken und Elfen mit Flügeln.
Er ließ sie auf sich wirken und überlegte, wie die Person wohl beschaffen sein musste, die Elfen und Körperteile gleichermaßen sammelte und ausstellte, und kam zu dem Schluss, dass es jemand sein musste, der New Orleans aus ganzem Herzen verstand.
Die Geigerin auf der Bühne fing an, Cajun zu singen. Ihre Stimme klang wie eine rostige Säge, war aber auf unerklärliche Weise anziehend. Den Rhythmus mit dem Fuß tippend, richtete Declan seinen Blick ans Ende der Theke. Der Barkeeper hatte Rastalocken bis zur Taille, ein Gesicht, das von sehr geschickter Hand aus einer Kaffeebohne hätte herausgemeißelt sein können, und Hände, die sich mit der Grazie eines Balletttänzers bewegten, als er an den Hähnen zapfte und Schnäpse einschenkte.
Er hob gerade seine Hand, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen. Und da trat sie aus der Tür hinter der Theke.
Als Declan später wieder klar denken konnte, erklärte er sich das Gefühl mit einem Schmiedehammer, der sich ihm in die Brust grub. Doch nicht um sein Herz zum Stillstand zu bringen, sondern um ihm einen Schubs zu geben und in Gang zu setzen. Herz, Blut, Lenden, Gehirn. Alles wurde binnen einer Sekunde aus der Warteposition auf volle Touren gebracht.
Da bist du ja!, schrie etwas in ihm. Endlich!
Er vernahm das Rasen in seinem Körper wie ein intensives Summen, das die Musik und die Stimme übertönte. Sein Gesichtsfeld konzentrierte sich so ausschließlich auf sie, als wäre sie auf einer schwarzen Bühne ins Scheinwerferlicht getaucht.
Sie war nicht schön, nicht im klassischen Sinn. Sie war atemberaubend.
Ihr Haar war schwarz wie die Nacht, eine Zigeunermähne, die sich in wilden Locken über ihre Schultern ergoss. Ihr Gesicht war spitz wie das eines Fuchses – die schmale, irgendwie aristokratische Nase, die hohen, flachen Wangen, das sich verjüngende Kinn. Ihre Augen waren lang und ruhten unter schweren Lidern, ihr breiter Mund war voll und blutrünstig rot geschminkt.
Während in seinem Kopf das Chaos ausbrach, dachte er, dass das alles nicht recht zueinander passen wollte. Die Einzelteile ihres Gesichts konnten eigentlich als Ganzes gar nicht funktionieren. Aber sie waren perfekt. Aufregend, sexy, superb.
Sie war zierlich, fast zerbrechlich gebaut und trug ein knapp sitzendes Shirt mit U-Ausschnitt in der Farbe von Mohnblumen, das die schlanken Muskeln ihrer Arme und die festen Rundungen ihrer Brüste gut zur Geltung brachte. Im Tal zwischen diesen beiden Brüsten versteckte sich eine silberne Kette mit einem winzigen Silberschlüssel.
Ihre Haut war dunkel, und ihre Augen, als sie sich in seine brannten, hatten das tiefe, satte Braun von bitterer Schokolade.
Und diese roten Lippen rundeten sich zu einem kleinen, wissenden Lächeln, als sie sich auf ihn zubewegte und an die Theke lehnte, bis ihre Gesichter sich so nah kamen, dass Declan das winzige Muttermal erkennen konnte, das direkt über der rechten
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