Mitten ins Herz - Roman
fragend beide Hände.
Na toll. »Hast du sonst noch was für mich?«
Morelli sah mich grinsend an.
»Außer dem«, sagte ich.
Ich schlief, und im Schlaf erstickte ich. Ein schreckliches Gewicht lastete auf meiner Brust, und ich konnte nicht atmen. Normalerweise habe ich keine Erstickungsträume. Normalerweise träume ich, dass ich in einem Aufzug gefangen bin und dass der Aufzug durch die Decke des Gebäudes in den Himmel schießt. Ich träume, dass ich von einer rasenden Herde Stiere in einer Straße verfolgt werde. Und ich träume, ich hätte vergessen mich anzuziehen und würde nackt in den Supermarkt zum Einkaufen gehen. Das sind meine Träume. Einen Erstickungstraum habe ich noch nie
gehabt. Bis jetzt. Ich riss mich aus den Träumen und schlug die Augen auf. Neben mir schlief Bob, sein großer Hundekopf und seine Vorderpfoten ruhten auf meiner Brust. Sonst war das Bett leer. Morelli war weg. Er hatte sich in aller Herrgottsfrühe aus dem Zimmer geschlichen, nur Bob hatte er mir dagelassen.
»Na dann, alter Knabe«, sagte ich. »Wenn du dich von mir herunterbequemen würdest, kann ich dir dein Futter geben.«
Bob verstand vielleicht nicht jedes Wort, aber wenn es ums Fressen ging, verfehlte er nie den Sinn. Er spitzte die Ohren, die Augen leuchteten, und er sprang umgehend vom Bett herunter und tanzte mit zufriedener Miene herum.
Ich stellte ihm eine ganze Schüssel Hundecrunchies hin, menschliche Nahrung suchte ich vergeblich. Keine Pop Tarts, keine Bretzel, kein Cap’n Crunch mit Früchten. Sonst lässt mich meine Mutter nie ohne eine Tüte mit Lebensmitteln aus dem Haus, aber das letzte Mal bei meinen Eltern war ich mit den Gedanken bei dem Fall Loretta Ricci, und die übliche Tüte hatte ich vergessen, auf dem Küchentisch stehen gelassen.
»Jetzt sieh sich einer das an«, sagte ich zu Bob. »Als Hausfrau bin ich eine Niete.«
Bob blickte mich an, als wollte er sagen: He, Lady, mich hast du gefüttert, so schlecht kannst du also nicht sein.
Ich schlüpfte in Jeans und Schuhe, zog die Jeansjacke über das Nachthemd und nahm Bob an die Leine. Dann huschte ich die Treppe hinunter ins Auto, um mit Bob zum Haus meiner Erzfeindin Joyce Barnhardt zu fahren und ihn dort seinen Haufen machen zu lassen. Auf diese Weise ersparte ich mir das Gewese mit der Kotschaufel, und es gab mir zusätzlich das Gefühl, dass ich so früh bereits etwas erreicht
hatte. Vor einigen Jahren hatte ich Joyce dabei erwischt, wie sie mit meinem Mann - jetzt mein Ex-Mann - auf dem Esstisch vögelte, und gelegentlich überkommt mich die Anwandlung, ihr diese Freundlichkeit heimzuzahlen.
Joyce wohnt nur knapp dreihundert Meter von mir entfernt, aber die Entfernung reicht, und man ist in einer anderen Welt. Joyce hat immer hübsche Abfindungen von ihren Männern bekommen. Gatte Nummer drei war sogar so froh, sie loszuwerden, dass er ihr ohne Umschweife das gemeinsame Haus überließ. Es ist ein großes Haus auf einem kleinen Grundstück, in einem Viertel mit lauter Aufsteigern und Selbstständigen. Das Haus ist aus rotem Backstein und hat schicke weiße Säulen, die ein kleines Vordach vor dem Eingang stützen: Schweinchen Schlau in Neuschwanstein. In dem Viertel wird das Gesetz zur Beseitigung des Hundekots aufs Strengste beachtet, Bob und ich statten Joyce unsere Besuche daher nur im Schutz der Dunkelheit ab. Oder, wie heute, in aller Frühe, wenn die Straße noch nicht erwacht ist.
Wir stellten den Wagen ein paar Häuser vor Joyce’ Haus ab. Bob und ich schlichen uns bis zu ihrem Vorgarten, Bob erledigte sein Geschäft, wir schlichen zurück zum Wagen und rasten zu McDonald’s. Jede gute Tat verdient ihren Lohn. Ich bestellte mir einen McMuffin und Kaffee, Bob einen McMuffin und einen Vanillemilchshake.
Nach so viel Herumtreiberei waren wir erschöpft, also fuhren wir zurück zu meiner Wohnung, Bob legte sich wieder hin, ich stieg unter die Dusche. Anschließend schmierte ich mir Gel ins Haar und wühlte darin herum, bis ich viele kleine Locken hatte. Ich trug Wimperntusche und Eyeliner auf, den Lippen gönnte ich etwas Lipgloss. Vielleicht würde ich heute keinen Fall lösen, aber wenigstens sah ich verdammt gut aus.
Eine halbe Stunde später rauschten Bob und ich in Vinnies Büro, zu jeder Schandtat bereit.
»Oh«, sagte Lula, »Kollege Bob.« Sie bückte sich zu ihm hinunter und kraulte ihm das Fell. »Hallo. Wie geht’s?«
»Wir sind immer noch hinter DeChooch her«, sagte ich. »Weiß jemand von euch, wo sein
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