Mitten ins Herz - Roman
Knöllchen gesammelt, um ihren Führerschein wieder los zu sein.
»Das Hühnchen steht auf dem Tisch«, sagte meine Mutter. »Wir wollten uns gerade hinsetzen.«
»Du hast Glück, dass wir erst später mit dem Abendessen anfangen«, sagte Grandma. »Das Telefon stand nicht still. Loretta Ricci ist in aller Munde.« Sie ließ sich an ihrem Platz nieder und schlug die Serviette auf. »Es hat mich allerdings nicht überrascht. Ich habe schon vor einiger Zeit beobachtet, dass die Frau es drauf angelegt hat. Die war ja scharf wie Nachbars Lumpi. Ist ausgeflippt nach Dominics Tod. Mannstoll geworden.«
Mein Vater, am Kopfende des Tisches, sah aus, als hätte er sich am liebsten erschossen.
»Die ist bei den Seniorentreffen von einem Mann zum nächsten gehüpft«, sagte Grandma. »Ich habe gehört, sie wäre ziemlich freizügig gewesen.«
Das Fleisch wurde immer zuerst vor meinen Vater gestellt, damit er sich ein Stück aussuchen konnte. Wahrscheinlich meinte meine Mutter, wenn er mit Essen beschäftigt wäre, würde er nicht gleich bei jeder Gelegenheit den Impuls verspüren, vom Stuhl aufzuspringen und meine Oma zu erwürgen.
»Wie schmeckt euch das Huhn?«, wollte meine Mutter wissen. »Ist es auch nicht zu trocken?«
Nein, antworteten alle, das Huhn sei nicht trocken. Das Huhn sei genau richtig.
»Letzte Woche habe ich im Fernsehen einen Film über so eine Frau wie die Ricci gesehen«, sagte Grandma. »Diese Frau war auch mannstoll, und einer der Männer, mit denen sie anbändelte, war ein Außerirdischer. Der hat sie auf sein Raumschiff mitgenommen und alles Mögliche mit ihr angestellt.«
Mein Vater beugte sich noch tiefer über seinen Teller und murmelte etwas Unverständliches, nur die Worte »verrückte alte Schachtel« waren klar und deutlich zu vernehmen.
»Was ist mit Eddie DeChooch?«, fragte ich sie. »Glaubst du, dass Loretta mit dem auch rumgemacht hat?«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte Grandma. »Loretta stand auf scharfe Typen, und Eddie DeChooch kriegte keinen mehr hoch. Ich bin ein paar Mal mit ihm ausgegangen, und was zwischen seinen Beinen hing, war schlaff wie eine verwelkte Blume. Ich konnte machen, was ich wollte, da passierte null.«
Mein Vater sah Grandma an und ein Bissen Fleisch fiel ihm aus dem Mund.
Meine Mutter, am unteren Ende des Tisches, bekam einen hochroten Kopf. Sie atmete schwer und bekreuzigte sich. »Heilige Mutter Gottes«, sagte sie.
Ich spielte mit meiner Gabel. »Sag mal, würdest du mir noch ein Stück gestürzten Ananaskuchen geben, auch wenn ich jetzt gleich gehe?«
»Nein. Nie wieder würde ich dir einen geben«, drohte meine Mutter.
»Wie hat Loretta ausgesehen?«, fragte Grandma. »Was hat sie angehabt? War ihre Frisur zurechtgemacht? Doris Szuch hat mir gesagt, sie hätte Loretta noch gestern Nachmittag im Supermarkt getroffen, dann kann sie also nicht allzu verwest und von Würmern zerfressen gewesen sein.«
Mein Vater griff nach dem Tranchiermesser, aber meine Mutter hielt ihn mit einem eiskalten Blick in Schach, der »nicht mal denken darfst du an so was« besagte.
Mein Vater war früher bei der Post gewesen, heute ist er Rentner. Halbtags verdingt er sich als Taxifahrer, er kauft nur amerikanische Autos, und wenn meine Mutter mal nicht zu Hause ist, raucht er hinter der Garage Zigarren. Ich glaube nicht, dass er Grandma Mazur tatsächlich mit dem Tranchiermesser erstochen hätte - dennoch, würde sie an einem Hühnerknochen ersticken, er wäre vermutlich nicht untröstlich.
»Ich bin auf der Suche nach Eddie DeChooch«, sagte ich zu Grandma. »Ein NVGler. Hast du eine Ahnung, wo er sich verstecken könnte?«
NVG war unsere Abkürzung für »nicht vor Gericht erschienen«.
»Er hat zwei Freunde, Ziggy Garvey und Benny Colucci. Und dann wäre da noch sein Neffe Ronald.«
»Glaubst du, dass er das Land verlassen hat?«
»Nur weil er Loretta ein paar Kugeln verpasst hat? Das kann ich mir nicht vorstellen. Er wurde schon des Öfteren des Mordes verdächtigt, und nie hat er das Land verlassen. Jedenfalls habe ich nie davon gehört.«
»Ich halte das nicht mehr aus«, sagte meine Mutter. »Ich halte es nicht mehr aus, dass meine Tochter geflohenen Mördern nachstellt. Was fällt Vinnie ein, dir diesen Fall zu übertragen?« Sie warf einen Blick hinüber zu meinem Vater. »Frank. Er kommt aus deiner Familie. Red du doch mal mit ihm.« Meine Mutter wandte sich wieder an mich. »Warum kannst du nicht so sein wie deine Schwester Valerie? Sie ist
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