Mitten ins Herz - Roman
in deinem Kopf machen.«
Mooner tastete den Verband ab. »Alles in Ordnung.« Er saß mit halb geöffnetem Mund da, suchte mit den Augen die hintersten Nischen seines Gehirns ab, und plötzlich ging ihm ein Licht auf. »Ach ja«, sagte er. »Eine unheimliche alte Dame hat auf mich geschossen.«
Das ist der Vorteil an lebenslangem Haschgenuss, man verliert das Kurzzeitgedächtnis. Stößt einem was Schreckliches zu, hat man es zehn Minuten später schon wieder vergessen.
Leider ist genau das auch der Nachteil am Haschgenuss: Passiert eine Katastrophe - wird zum Beispiel der engste Freund vermisst -, kann es sein, dass wichtige Nachrichten oder Ereignisse im Tran verloren gehen. Und es besteht die Möglichkeit, dass man sich ein Gesicht am Fenster nur einbildet und der Schuss eigentlich von einem vorbeifahrenden Auto aus abgefeuert wurde.
Im Fall Mooner war diese Möglichkeit bereits hohe Wahrscheinlichkeit.
Ich fuhr an Dougies Haus vorbei, nur um sicherzugehen, dass es nicht niedergebrannt war, während wir geschlafen hatten.
»Sieht alles normal aus«, sagte ich.
»Irgendwie einsam«, sagte Mooner.
Ziggy und Benny saßen in der Küche, als wir wieder in meine Wohnung kamen. Beide hatten einen Becher Kaffee und eine Scheibe Toast in der Hand.
»Entschuldigen Sie die Störung«, sagte Ziggy. »Wir wollten mal Ihren neuen Toaster begutachten.«
Benny wedelte mit der Toastscheibe. »Das ist ein ausgezeichneter
Toast. Sehen Sie mal, wie gleichmäßig braun der ist. Nirgendwo an den Rändern verkohlt. Und trotzdem rundum knusprig.«
»Kaufen Sie das nächste Mal Marmelade ein«, sagte Ziggy. »Etwas Erdbeermarmelade auf dem Toast wäre lecker.«
»Sie sind schon wieder in meine Wohnung eingebrochen! So was kann ich auf den Tod nicht ausstehen.«
»Sie waren nicht zu Hause«, sagte Ziggy. »Wir wollten nicht, dass es so aussieht, als würden draußen im Hausflur vor Ihrer Wohnung Männer herumlungern.«
»Genau. Wir wollten Ihren guten Namen nicht besudeln«, sagte Benny. »Sie gehören schließlich nicht zu dieser gewissen Sorte Frauen. Obwohl sich ja seit Jahren Gerüchte halten, Sie und dieser Joe Morelli hätten was miteinander. Bei dem Kerl müssen Sie sich vorsehen. Der hat einen schlimmen Ruf.«
»Wen haben wir denn da?«, sagte Ziggy. »Die kleine Schwuchtel. Wo ist denn deine Uniform, mein Süßer?«
»Ja. Und was soll der Verband? Bist du von deinen Stilettos gefallen?«, fragte Benny.
Ziggy und Benny stießen sich mit den Ellbogen in die Seiten und lachten sich kaputt, als handelte es sich um einen großartigen Insiderwitz.
Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf. »Sie kennen nicht zufällig den Grund für seinen Kopfverband, oder?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, sagte Benny. »Weißt du irgendwas, Ziggy?«
»Ich habe von nichts’ne Ahnung«, antwortete der.
Ich lehnte mich an den Küchentresen und verschränkte die Arme. »Also, was haben Sie hier zu suchen?«
»Wir haben uns gedacht, wir sollten uns mal wieder melden«, sagte Ziggy. »Unser letztes Gespräch ist schon eine
ganze Weile her, und wir wollten fragen, ob sich irgendwas Neues ergeben hat.«
»Keine vierundzwanzig Stunden ist das her«, sagte ich.
»Wie gesagt, eine ganze Weile.«
»Es hat sich nichts Neues ergeben.«
»Wirklich schade aber auch«, sagte Benny. »Dabei hat man uns Sie doch so empfohlen. Wir hatten uns große Hoffnungen gemacht, dass Sie uns weiterhelfen könnten.«
Ziggy trank seinen Kaffee aus, wusch den Becher ab und stellte ihn auf den Abtropfständer. »Besser, wir gehen jetzt.«
»Schwein«, sagte Mooner.
An der Tür hielten Ziggy und Benny inne.
»Das ist sehr unfreundlich«, sagte Ziggy. »Wir wollen darüber hinwegsehen, da Sie ein Freund von Miss Plum sind.« Er bat Benny mit einem Blick um Beistand.
»Ja, genau«, sagte Benny. »Diesmal haben wir das überhört, aber Sie sollten sich ein paar Manieren angewöhnen. Man redet nicht in diesem Ton mit älteren Menschen.«
»Sie haben Schwuchtel zu mir gesagt!«, schrie Mooner.
Ziggy und Benny sahen sich verdutzt an.
»Ja«, sagte Ziggy. »Na und?«
»Lungern Sie das nächste Mal ruhig im Hausflur herum«, sagte ich und schloss hinter den beiden die Tür ab. »Und jetzt denk mal scharf nach«, sagte ich zu Mooner. »Hast du irgendeinen Verdacht, warum jemand auf dich schießen könnte? Bist du ganz sicher, dass du das Frauengesicht am Fenster wirklich gesehen hast?«
»Mann, ej, ich weiß es nicht. Das Nachdenken fällt mir irre schwer.
Weitere Kostenlose Bücher