Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
meiner Gefühle“, gestand er.
„Ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht, als du verschwunden warst. Ich hatte Angst nun auch noch dich zu verlieren, wo mir doch ein Leben ohne deine geliebte Mutter schon nicht länger lebenswert scheint. Darum bin ich auch so furchtbar wütend auf diesen Schmuggler! Wäre es nur um die Schmuggelei gegangen, hätte ich ihn einem Gericht des Königs übergeben und gut. Aber nun, wo er den größten Schatz, den ich im Leben noch besitze, in Gefahr gebracht hat, möchte ich ihn am liebsten sterben sehen.“
„Oh Vater! Ich wusste ja gar nicht, wie sehr du dich quälst! Es tut mir leid, dass du dir solche Sorgen machen musstest. Aber mir geht es wirklich gut. Drew hat mir nichts zuleide getan“, versicherte Julia.
„Drew?“, hakte Nathan nach.
Sofort errötete Julia. Sein Name kam direkt aus ihrem Herzen. Seit sie vor ihm davon gelaufen war, hatte sie wieder und wieder seinen Namen geflüstert, gehaucht oder im Traum gerufen.
„Nun, der Gefangene eben! Ich habe gehört, wie Ashton ihn so nannte! “, erwiderte sie spitz.
„Aber wie auch immer, Vater, was soll nun aus ihm werden?“, hakte sie nach. Dabei kratzte sie geflissentlich einen nicht vorhandenen Fleck von ihrem Kleid, um ihrem Vater nicht zu zeigen, wie sehr sie sich vor seiner Antwort fürchtete.
„Ich weiß es nicht. Greg will ihn aufhängen, und ich muss sagen, dass mir diese Vorstellung gefällt. Andererseits habe ich doch die Verpflichtung, seine Ergreifung dem König zu melden. Dann wird er bestimmt nach London überführt, wo er sich für seine Verbrechen vor Gericht wird verantworten müssen“, überlegte er.
„Oh ja, ich denke, der König wäre dir sehr verbunden, wenn er an dem Schmuggler ein Exempel statuieren könnte. Sicher würde er es nicht besonders zu schätzen wissen, wenn du eigenmächtige Entscheidungen triffst“, stimmte sie dem zweiten Gedanken zu, da sie schon fürchtete, Drew im Morgengrauen an einem der Bäume baumeln zu sehen.
„Mag sein. Aber da ich dem König bereits gestern geschrieben habe, der Falke wäre bei der Ergreifung gestorben, bräuchte er es nie erfahren“, sinnierte er.
„Um Gottes Willen!“, Julia bekreuzigte sich, „Du wirst doch nicht den König anlügen! Was denkst du, wer sich dann in London vor Gericht verteidigen müsste?“
„Du hast ja recht. Dann schicken wir ihn eben nach London“, gab sich Nathan geschlagen.
Erleichtert atmete Julia durch. Der erste Teil ihres Plans war aufgegangen. Nun kam der deutlich schwierigere Teil:
„Gut. Aber so, wie Gregory ihn zugerichtet hat, kannst du ihn unmöglich dem Gericht vorführen!“, gab sie zu bedenken.
„Was? Warum nicht?“
„Ganz einfach: Was, wenn er unschuldig ist?“
„Das ist er nicht!“
„Ja, aber er hat es heute behauptet. Was, wenn er in London sagt, er wäre unschuldig und du hättest ihn so behandeln lassen?“
„Wer würde ihm denn schon glauben! Er hat gesagt, du wärst der Falke! Mit so einer Aussage wird man ihn in London ebenso auslachen, wie hier! Außerdem weiß ich nicht, was du meinst.“
„Ich meine, dass es nicht schaden kann, wenn ich mir seine Verletzungen einmal ansehe. Und etwas zu essen und zu trinken solltest du dem Gefangenen auch zugestehen. Und wenn du auf meinen Rat hören möchtest, dann warte noch einige Tage, bis man die Striemen im Gesicht nicht mehr so deutlich erkennt, ehe du ihn dem König übergibst“, versuchte Julia so gleichmütig wie möglich zu erklären.
Sie tat so, als wäre ihr dieser Gedanke gerade erst gekommen. Als gelte ihre einzige Sorge dabei dem Ruf ihres Vaters.
„Niemals würde ich dich bitten, diesem Monster noch einmal gegenüberzutreten“, versicherte er ihr, „aber ich bin einverstanden. Die Kräuterfrau soll nach ihm sehen. Wirst du ihr Bescheid geben?“
„Natürlich Vater. Ich gehe gleich und kümmere mich um alles. Widme du dich nun wieder deiner Korrespondenz.“
Mit einem Kuss auf die Wange verabschiedete sie sich und eilte in die Küche. Zum Glück lief alles wie am Schnürchen. Ihr Vater hatte genau so reagiert, wie Julia es erwartet hatte. Nun galt es, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Vor Aufregung zitterten ihr schon die Knie.
„Robby, wo steckst du?“, rief sie, kaum dass sie das Reich von Miss Lane betreten hatte.
Der Junge kam hinter der Köchin aus dem Vorratsraum, die Backen gefüllt mit irgendeiner Leckerei.
„Hier sind wir“, antwortete Miss Lane.
„Ihr sollt den Jungen nicht immer so
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