Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
in die Lungen, um dann direkt zur Sache zu kommen.
„Ich bin auf der Suche nach deinem Vater. Weißt du, wo ich ihn finden kann?“
Obwohl Alan gerade erst sechzehn Jahre alt war, wirkte er viel älter. Die harte Arbeit in der Schmiede hatte seinen Körper gestählt und einen harten Zug um seinen Mund entstehen lassen. Nun blickte er Julia zwar höflich, aber auch ein wenig misstrauisch an, als er bedauernd den Kopf schüttelte.
„Tut mir leid, Mylady. Er ist nicht da. Soll ich ihm vielleicht etwas ausrichten?“
Julias Verzweiflung wuchs. Wo steckten denn nur alle?
„Nein danke Alan. Es war nichts Wichtiges. Ich komme einfach ein anderes Mal wieder.“
Damit verabschiedete sie sich von dem jungen Schmied und lief ein wenig verloren durch das Städtchen. Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit, wo sie die Männer finden konnte. Aber wenn sie recht hatte mit ihrer Vermutung, dann bedeutete dies das Ende ihres Versteckspiels.
Mit großem Bedauern, aber dem Wissen, dass dieser Schritt nun unausweichlich war, blickte sie sich suchend um. Erst als sie überzeugt war, dass ihr niemand besondere Beachtung schenkte, bog sie auf den schmalen ausgetretenen Weg ein, der sie hinunter zu den Klippen führte.
Da stand sie nun, unschlüssig, ob das was sie tat, richtig oder falsch war. Zögerlich setzte sie den ersten Schritt in die Höhle. Seit über einem Jahr hatte sie diese nicht mehr betreten. Seit sie sie zusammen mit Fanny gefunden und zu ihrem Hauptquartier erklärt hatte. Wie von selbst fanden ihre Füße den verworrenen Weg bis in den großen unterirdischen Raum. Je näher sie kam, umso sicherer wurde sie, und als die ersten Stimmen an ihr Ohr drangen, hatte Julia einen Entschluss gefasst.
Noch einmal tief Luft holend, trat sie in den Lichtkreis.
Sofort herrschte Schweigen und ein halbes Dutzend erschrockener Blicke waren auf sie gerichtet.
Ian, Tim, Michael und seine Frau Patty, Tom Edley, ihr Sprecher Butch und zu Julias Überraschung Robby, der auf Fannys Schoß saß und sein Gesicht im weichen Stoff ihrer Bluse versteckte.
„Fanny! Gott sei Dank habe ich euch endlich alle gefunden!“, stellte Julia erleichtert fest und trat in die Mitte.
Keiner der Schmuggler wusste etwas zu sagen. Irritiert warfen sie sich gegenseitig fragende Blicke zu und schielten verstohlen auf die vielen Fässer mit Schmuggelware, die sich hinter ihnen auftürmte. Nur in Toms Gesicht vollzog sich eine Wandlung und er trat triumphierend auf Julia zu.
„Mitternachtsfalke,“, er verneigte sich vor Julia, „es ist mir eine Ehre, Euch endlich persönlich gegenüberzutreten.“
„Aber, …?“, stotterte Julia, die nun ebenso verwirrt war wie alle anderen.
„Warum denkst du, dass Lady Hayes der Mitternachtsfalke ist?“, sprach Butch aus, was alle dachten.
„Das würde mich auch interessieren“, stimmte Julia der Frage zu.
Tom wischte sich nervös die verschwitzten Hände an der Hose ab.
„Nun, ich denke es nicht, sondern ich weiß es. Gestern brachte uns Robby vom Mitternachtsfalken einen Umhang, den wir tragen sollten, um Gisbournes Leuten vorzuspielen, der Falke wäre noch immer auf freiem Fuß“, erläuterte er den gespannten Zuhörern.
„Und was?“, rief Tim neugierig dazwischen.
„Nun, dieser Mantel ist aus einem besonderen Material. Doppelt gewebt und gewachste Fäden, um auch bei starkem Regen besser zu schützen. Noch dazu von so dunklem Blau, dass es für jeden beinahe schwarz aussieht. Und dann noch die Stickerei. Der goldene Falke. Eine so filigrane Handarbeit, dass nur die wenigsten Frauen sie auf den Mantel gestickt haben konnten. Und da fiel mir ein, dass Lady Julia einst bei mir in den Laden kam und das goldene Garn kaufte. Ebenso wie wenige Tage vorher ihre Zofe meterweise diesen dunklen Mantelstoff“, führte Tom seine Beweisaufnahme zu Ende.
Alle Augen waren nun fragend auf Julia gerichtet, die sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte und in die Hände klatschte.
„Bravo! Und ich dachte immer, ich wäre so geschickt vorgegangen!“, lachte sie. „Ja, es stimmt, was Tom sagt: Ich bin der Mitternachtsfalke“
In der plötzlichen Unruhe, die auf dieses Geständnis folgte, vernahm sie alles: Ungläubigkeit, Bewunderung und Misstrauen. Darum bat sie nun Fanny um Unterstützung, aber diese hörte ihr gar nicht zu.
„Fanny?“, hakte Julia nach.
Aber anstelle von Fanny, die noch nicht einmal den Kopf hob, antwortete Butch:
„Die beiden sitzen seit heute Morgen da und sagen kein Wort. Wir
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