Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
Stimmung. Hoffentlich war alles gut gegangen. Der Trubel bei der Ankunft des Richters hatte ihnen eine gute Gelegenheit geboten, den Gefangenen davon zu schaffen. So war das Verlies unbewacht gewesen und sie hatten ungesehen verschwinden können.
Aber was dauerte denn da so lange? Er hatte nicht vor, mit seinem eigenen Pferd zu der Höhle zu reiten, weil er nicht riskieren wollte, erkannt zu werden. Man sollte annehmen Gregory Gisbourne läge schlafend in seinem Bett. Und wenn irgendwann doch einer die Leiche finden würde, konnte er damit nicht in Verbindung gebracht werden.
Zwei Mägde begannen damit, die Tafel abzutragen und Greg erhob sich unschlüssig.
Ihm lief die Zeit davon. Wenn seine Gefolgsleute diesen Warring in die Höhle gebracht hatten, die er ausgewählt hatte, dann musste er sich beeilen, wenn er noch seine Rache genießen wollte. Nicht, dass die Flut dem elenden Kerl ein vorzeitiges, gnädiges Ende bereiten würde.
Trotzdem blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, als auf Haribert zu warten.
Andererseits kam ihm dieser Aufschub auch nicht ungelegen. Er könnte die Zeit nutzen und sich die Uhr in Nathans Arbeitszimmer einmal genauer ansehen. Wenn es stimmte, was Julia ihm heute erzählt hatte, dann musste er dringend dieses Geheimversteck finden, ehe jemand anderes es tat. Besonders jetzt, wo mit dem Richter auch wieder Lady Bellham ins Gespräch kam. Jetzt bereute er es, damals nicht konsequent gewesen zu sein. Immerhin war sie es gewesen, die Sophia seinen Schuldschein unter die Nase gehalten hatte. Eigentlich hätte er in all der Zeit daran denken sollen, auch sie zum Schweigen zu bringen. Aber natürlich hatte er immer angenommen, die Hochzeit würde stattfinden, bevor noch weiteres Gerede aufkommen konnte.
Er trat in die Halle und spähte die Treppe hinauf. Niemand war zu sehen. Kurzerhand ging er zum Arbeitszimmer, klopfte kurz an, und als von innen nichts zu vernehmen war, vergewisserte er sich noch einmal, unbeobachtet zu sein. Dann drückte er die Klinke hinunter und trat leise in den Raum. Als er die Tür hinter sich ebenso geräuschlos wieder schloss, merkte er, wie ihm vor Nervosität der Schweiß ausbrach. Es war still im Zimmer, einzig das Ticken der Uhr auf Nathans großem Schreibtisch war zu hören. Wie oft er in den letzten beiden Jahren auf diese Uhr gesehen hatte, wusste er nicht, aber heute sah er sie mit ganz anderen Augen. Konnte es sein, dass er all die Zeit nichts ahnend den Schuldschein direkt vor seiner Nase hatte? Er wagte es nicht, mehr als eine Kerze zu entzünden, damit man ihn vom Garten aus nicht bemerken würde. So untersuchte er nun im flackernden Licht die Uhr. Vorsichtig öffnete er die Glasscheibe, welche das Zifferblatt und die Zeiger schützte. Die goldene Standuhr sah tatsächlich aus, wie für ein geheimes Versteck gemacht. Unzählige Blütenblätter zierten das Gehäuse und jedes einzelne davon konnte einen Mechanismus verbergen, welcher zum Öffnen eines solchen Faches nötig war. Womöglich musste man aber auch die Zeiger in eine bestimmte Position drehen, um das Versteck preiszugeben. Unschlüssig, wie er vorgehen sollte, hob er die Uhr an und schüttelte sie. Es war nichts Ungewöhnliches zu hören. Unruhig warf er einen Blick zur Tür. Hatte er eben Stimmen gehört? Nein, alles war still. Wieder konzentrierte er sich auf die Uhr, schob die Zeiger auf die Zwölf, und als dies nichts brachte, auf die Sechs.
Vor Schreck hätte er die Uhr beinahe fallen gelassen, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde.
Unerwartet sah er sich seinem Schwiegervater, Julia, und wenn er es richtig erkannte, den Männern der richterlichen Eskorte gegenüber.
„Gregory, was tust du hier im Dunkeln?“, fragte Nathan überrascht.
„Nichts. Ich wollte gerade, …“, setzte er an, aber Julia ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen:
„Ach wirklich Gregory? Ist es nicht vielmehr so, dass du etwas suchst?“, unterstellte sie ihm lautstark.
Fragend hob Nathan eine Augenbraue und blickte von Julia zu seinem künftigen Schwiegersohn. Aber Julia erwartete keine Antwort. Nun, da seine Anwesenheit hier in diesem Zimmer ihr die Gewissheit verschafft hatte, dass alles, was Robby gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, konnte sie sich kaum mehr zurückhalten:
„Willst du uns nicht verraten, was es ist, das du hier im dunklen Arbeitszimmer zu finden hoffst?“, bohrte sie weiter.
„Julia, ich weiß nicht, was Ihr meint, ich konnte nicht einschlafen und wollte mir nur ein Buch
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