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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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das Baby ist schon unterwegs!«
    Der Polizist grinste: Der werdende Vater, der vor Aufregung fast durchdrehte, war ein unsterbliches Komödienklischee. »Hier gibt‘s keinen Doktor, mein Freund!«
    »Aber er muss hier sein!«
    »Immer mit der Ruhe, mein Sohn. Babys wurden schon geboren, bevor es Ärzte gab. Welche Adresse suchst du denn?«
    »Dr. Thorsten, Fischers Gade 53, und er muss einfach da sein!«
    »Die Nummer stimmt, aber die Straße nicht. Das hier ist St.-Pauls- Gade. Fischers Gade ist eine Querstraße weiter südlich.«
    »Ach du Schreck, die falsche Straße!« Harald machte auf dem Absatz kehrt und sprang auf sein Motorrad. »Danke!«, brüllte er noch, öffnete den Dampfregulator und bog auf die Straße.
    »Gehört zum Dienst«, sagte der Polizist.
    Harald fuhr bis zum Ende der Straße und bog um die Ecke.
    Wirklich clever reagiert, dachte er. Aber was, zum Teufel, soll ich jetzt tun?
    H ermia verbrachte den ganzen Freitagvormittag in der schönen Ruine der Festung Hammershus und wartete auf Arne und den entscheidenden Film.
    Dieser Film war jetzt noch wichtiger als vor fünf Tagen, als sie Arne auf seine gefährliche Mission geschickt hatte. Denn in der Zwischenzeit hatte sich die Welt verändert: Die Nazis waren drauf und dran, die Sowjetunion zu erobern. Dank ihrer totalen Luftüberlegenheit fügten sie der Roten Armee furchtbare Verluste zu.
    Digby Hoare hatte ihr von seinem Gespräch mit Churchill erzählt – nur in wenigen Sätzen, aber diese knallhart: In dem verzweifelten Versuch, Kapazitäten der deutschen Luftwaffe von der russischen Front abzuziehen und somit den sowjetischen Soldaten eine Chance zur Gegenwehr zu geben, plante das Bomber Command der Royal Air Force den größten Luftangriff des Krieges. Jede nur greifbare Maschine sollte losgeschickt werden. Bis zum festgesetzten Termin waren es noch elf Tage.
    Digby hatte auch mit seinem Bruder Bartlett gesprochen, der von seinen Verletzungen genesen und wieder im Dienst war. Bart rechnete fest damit, bei dem bevorstehenden Angriff als Bomberpilot zum Einsatz zu kommen.
    Eines stand schon jetzt fest: Wenn es nicht gelang, in den nächsten
    Tagen eine Strategie zur Umgehung des deutschen Radars zu entwickeln, würde das Unternehmen für viele Piloten zu einem Himmelfahrtskommando werden und das Bomber Command tödlich geschwächt. Alles hing nun von Arne ab.
    Hermia hatte »ihren« schwedischen Fischer dazu überredet, sie noch einmal zur Insel zu bringen – mit der Einschränkung allerdings, dass der Mann erklärt hatte, dies sei aber nun definitiv das letzte Mal. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit Bornholm anzulaufen, erschien ihm auf die Dauer zu riskant. Im Morgengrauen hatte Hermia ihr Fahrrad durchs seichte Wasser unterhalb von Hammershus an den Strand getragen. Sie war den steilen Hügel zur Festungsruine hinaufgestiegen, hatte sich dort wie eine mittelalterliche Königin auf den Wall gestellt und zugesehen, wie die Sonne über einer Welt aufging, die mehr und mehr von den protzenden, brüllenden, hasserfüllten Nazis beherrscht wurde, die Hermia so verabscheute.
    Im Laufe des Tages wechselte sie ungefähr jede halbe Stunde ihren Standort in dem weitläufigen Ruinengelände. Mal machte sie einen Spaziergang durch das Wäldchen, mal ging sie zum Strand hinunter. Keiner der Touristen sollte merken, dass sie hier auf jemanden wartete. Sie litt unter einer Mischung aus entsetzlicher Nervenanspannung und gähnender Langeweile, die sie sonderbar ermüdend fand.
    Sie versuchte sich abzulenken, indem sie die Erinnerung an ihre letzte Begegnung mit Arne heraufbeschwor, eine wunderbare Erinnerung. Zwar empfand sie es selber nach wie vor als schockierend, dass sie an Ort und Stelle und im hellen Licht des Tages mit Arne ins Gras gesunken war und ihn geliebt hatte, aber sie bereute es nicht. Es war ein Erlebnis, das sie nie vergessen würde.
    Sie hatte damit gerechnet, dass er mit der Nachtfähre kommen würde. Die Entfernung zwischen dem Hafen in Rönne und der Festung Hammershus betrug nur etwa zweiundzwanzig Kilometer – die konnte Arne in einer guten Stunde mit dem Fahrrad oder in dreieinhalb Stunden zu Fuß zurücklegen. Aber er ließ sich den ganzen Vormittag nicht blicken.
    Angst stieg in ihr auf, doch sie redete sich ein, dass zur ernsthaften Sorge noch keinerlei Anlass bestand. Beim letzten Mal war das Gleiche passiert: Arne hatte die Nachtfähre versäumt und war erst mit der Morgenfähre gekommen. Also würde er wohl am Abend

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