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Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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goldener Jubiläumsfilm, will dieser Onkel von dir in einer Zweizimmerwohnung leben wie ein Angestellter! Ich mache also kein Aufhebens davon, ich bin nicht so wie gewisse Schauspielerinnen von der billigen Sorte, ich lebe einfach und verlange keine
Cadillacs oder Klimaanlagen oder Dunlopillo-Betten aus England, ich brauche keine bikiniförmigen Schwimmbecken wie diese Roxy Vishwanatham! Hier bin ich geblieben, wie eine Frau aus dem gemeinen Volk, hier verrotte ich nun! Verrotte ganz und gar! Aber eins weiß ich: Mein Gesicht ist mein Vermögen, was brauche ich da sonst noch für Reichtümer?» Und ich stimme eifrig zu: «Mumani, keine, überhaupt keine.» Sie tat einen wilden Aufschrei; selbst mein seit dem Schlag taubes Ohr wurde davon durchdrungen. «Ja natürlich, auch du willst, dass ich arm bin! Die ganze Welt möchte Pia in Lumpen sehen! Selbst der da, dein Onkel, der seine trostlos langweiligen Drehbücher schreibt! O mein Gott, ich sag’ ihm, bau Tänze ein oder exotische Schauplätze! Mach deine Schurken schurkisch, warum nicht, mach deine Helden zu richtigen Männern! Aber er sagt, nein, das ist alles Unsinn, er sieht, dass nun ... obwohl er früher nicht so stolz war! Nun muss er über gewöhnliche Menschen und soziale Probleme schreiben! Und ich sage: Ja, Hanif, tu das, das ist gut, aber bau der Form halber etwas Komisches ein, einen kleinen Tanz für deine Pia und auch Drama und Tragödie; das will das Publikum haben!» Ihre Augen schwammen in Tränen. «Und weißt du, worüber er jetzt schreibt? Über ...», sie sah aus, als bräche ihr das Herz, «... das Alltagsleben in einer Picklesfabrik!»
    «Pst, Mumani, psst», bitte ich, «Hanif Mamu kann es hören!»
    «Soll er es doch hören!», tobte sie, und nun flossen die Tränen reichlich. «Soll auch seine Mutter in Agra es hören; wegen ihnen sterbe ich noch vor Scham!»
    Ehrwürdige Mutter hatte ihre Schauspieler-Schwiegertochter nie gemocht. Ich hörte sie einmal zu meiner Mutter sagen: «Eine Schauspielerin heiraten, wieheißtesnoch, mein Sohn hat sich sein Bett in der Gosse bereitet, bald, wieheißtesnoch, wird sie ihn dazu bringen, Alkohol zu trinken und Schweinefleisch zu essen.» Schließlich nahm sie widerwillig hin, dass die Verbindung nicht zu hintertreiben war; aber sie gewöhnte sich an, Pia Besserungsepisteln zu schreiben.«Höre, Tochter», schrieb sie, «lass diese Schauspielerei sein.
Warum so ein schamloses Benehmen? Arbeiten, ja, ihr Mädchen habt moderne Ideen, aber nackt auf der Leinwand tanzen! Wo du schon für eine kleine Summe die Konzession für eine gute Tankstelle erwerben könntest. Ich würde sie mir sofort von meinem eigenen Taschengeld kaufen. Sitz in einem Büro, beschäftige Angestellte, das ist ordentliche Arbeit.» Keiner von uns erfuhr je, wo Ehrwürdige Mutter ihren Traum von den Zapfsäulen herhatte, von dem sie im hohen Alter besessen sein sollte; aber sie bombardierte Pia damit, sehr zum Abscheu der Schauspielerin.
    «Warum fordert diese Frau mich nicht auf, Stenotypistin zu werden? », jammerte Pia Hanif und Mary und mir am Frühstückstisch vor. «Warum nicht Taxifahrerin oder Weberin? Ich sage euch, dieses Zapfsäulengefasel macht mich verrückt.»
    Mein Onkel erbebte (einmal in seinem Leben) beinah vor Wut. «Hier ist ein Kind am Tisch», sagte er, «und sie ist deine Mutter; erweise ihr Respekt.»
    «Respekt kann sie haben», Pia wirbelte aus dem Zimmer, «aber sie will Kraftstoff»
    ... Und meine am meisten geschätzte Nebenrolle wurde gespielt, wenn ich bei Pias und Hanifs regelmäßig stattfindenden Kartenabenden mit Freunden dazu befördert wurde, den geheiligten Platz des Sohnes, den sie nie gehabt hatte, einzunehmen. (Frucht einer unbekannten Verbindung, habe ich mehr Mütter gehabt, als die meisten Mütter Kinder haben; Eltern das Leben zu schenken ist eine meiner seltsameren Begabungen gewesen – eine Art umgekehrter Fruchtbarkeit jenseits der Kontrolle durch Verhütungsmittel und sogar durch Die Witwe selbst.) Waren Besucher da, so pflegte Pia Aziz auszurufen: «Seht her, Freunde, hier ist mein persönlicher Kronprinz! Das Juwel in meinem Ring! Die Perle in meinem Halsband!» Und dann zog sie mich an sich und bettete meinen Kopf so, dass meine Nase gegen ihre Brust gedrückt wurde und sich wunderbar anschmiegte zwischen den weichen Kissen ihrer unbeschreiblichen ... unfähig, solchen Wonnen standzuhalten, zog ich
den Kopf weg. Doch ich war ihr Sklave, und mittlerweile weiß ich, warum sie sich

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