Mitternachtskinder: Roman (German Edition)
nicht. Danach packte er das Latrinenmädchen grob am Arm und sprach zu ihm: «Warum treibst du’s mit dem Verrückten - warum, wenn ich, Ayooba ...?», und sie erwiderte, dass sie den Menschenhund mochte, er ist komisch, sagt, er kann nichts spüren, er steckt seinen Schwengel in mich rein und kann noch nicht mal was fühlen, aber es ist schön, und er sagt, dass er meinen Geruch mag. Die Offenheit der Göre, die Aufrichtigkeit von Latrinenreinigern fand Ayooba zum Kotzen; er erklärte ihr, sie habe eine Seele aus Schweinedreck und eine mit Scheiße beschmierte Zunge, und wild vor Eifersucht dachte er sich das Schelmenstück mit den Elektrokabeln aus, den Trick mit dem elektrisch aufgeladenen Pissoir. Der Schauplatz sagte ihm zu, er sorgte für eine gewisse poetische Gerechtigkeit.
«Kann nichts fühlen, ha?», sagte Ayooba höhnisch zu Farooq und Shaheed. «Wartet bloß ab: Den lass’ ich schon noch über die Klinge springen.»
Am 10. Februar (als Yahya, Bhutto und Mujib sich weigerten, zu Gesprächen auf höchster Ebene zusammenzutreffen) verspürte der
Buddha den Ruf der Natur. Ein etwas besorgter Shaheed und ein heiterer Farooq lungerten in der Nähe der Latrinen herum; während Ayooba, der mithilfe von Elektrokabeln die metallenen Fußplatten des Pissoirs an die Batterie eines Jeeps angeschlossen hatte, außer Sichtweite hinter der Latrinenhütte neben dem Jeep stand, dessen Motor lief. Der Buddha erschien, mit Augen, so weit offen wie die eines Charasrauchers, und einem Gang, als schwebe er auf Wolken, und als er in die Latrine driftete, rief Farooq aus: «Ohe! Ayooba, Yara!», und begann zu kichern. Die Kindersoldaten warteten auf das gepeinigte Geheul, das das Zeichen sein würde, dass ihr gefühlloser Spürhund zu pissen begonnen hatte und der Strom den goldenen Strom hochstieg und ihn in seinen gefühllosen und Gassenmädchen stoßenden Schwengel stach.
Aber es kam kein Schrei; Farooq, der unruhig wurde und sich hinters Licht geführt fühlte, begann die Stirn zu runzeln, und als die Zeit verging, wurde Shaheed nervös und brüllte zu Ayooba Baloch hinüber: «Du da, Ayooba! Was machst du eigentlich, Mann?» Darauf Ayooba-der-Panzer: «Was glaubst du denn, Yaar, ich hab’ den Saft vor fünf Minuten angestellt ...» Und nun rannte Shaheed – VOLLE WUCHT! – in die Latrine und fand den Buddha, wie er mit einem Ausdruck benommenen Vergnügens drauflos urinierte und eine Blase leerte, die sich vierzehn Tage lang gefüllt haben musste, während der Strom, offensichtlich ohne dass er etwas merkte, durch seine untere Gurke in ihn übertragen wurde, sodass er sich mit Elektrizität auflud und ein blaues Knistern um die Spitze seiner gargantuesken Nase spielte; und Shaheed, der nicht den Mut hatte, dieses unmögliche Wesen anzufassen, das durch seinen Schwengel Strom absorbieren konnte, brüllte: «Schalt aus, Mann, sonst wird er geröstet wie eine Zwiebel!» Der Buddha trat unbekümmert aus der Latrine und knöpfte sich mit der rechten Hand die Hose zu, während die linke seinen silbernen Spucknapf hielt; und die drei Kindersoldaten begriffen, dass es wirklich stimmte. Allah, gefühllos wie Eis, taub gegen Gefühle wie gegen Erinnerungen ...
Nach diesem Vorfall konnte man den Buddha eine Woche lang nicht berühren, ohne einen elektrischen Schlag zu bekommen, und nicht einmal das Latrinenmädchen konnte ihn in seiner Hütte besuchen.
Seltsamerweise hörte Ayooba Baloch nach der Sache mit den Elektrokabeln auf, Groll gegen den Buddha zu hegen, und begann ihn sogar mit Respekt zu behandeln; die Hundeeinheit wurde durch dieses bizarre Ereignis zu einem wirklichen Team zusammengeschweißt und war bereit, den Kampf gegen die Übeltäter dieser Erde aufzunehmen.
Ayooba-dem-Panzer war es versagt, dem Buddha einen Schock zu versetzen; aber wo der kleine Mann versagt, triumphieren die Mächtigen. (Als Yahya und Bhutto beschlossen, Scheich Mujib über die Klinge springen zu lassen, gab es keine Panne.)
Am 15. März 1971 versammelten sich zwanzig Einheiten des HESPNAT-Lagers in einer Hütte, in der eine Wandtafel hing. Das bekränzte Konterfei des Präsidenten blickte auf einundsechzig Männer und neunzehn Hunde herab; Yahya Khan hatte soeben Mujib den Olivenzweig sofortiger Gespräche mit ihm selbst und mit Bhutto angeboten, um alle Verärgerungen zu beseitigen; doch auf seinem Porträt trug er ein untadeliges Pokerface zur Schau, von dem sich kein Hinweis auf seine wahren, schockierenden Absichten ablesen
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