Mitternachtskinder
Gesicht.
»Überraschung«, sagte sie.
Ich bin nicht überrascht,
dachte ich.
»Doch, bist du. Ich kann deine Gedanken lesen, schon vergessen?« Sie deutete auf die Unterseite der Matratze. »Was du da treibst, ist ziemlich lustig. Ist das echtes Bier?«
Vorsichtig hob ich den Zeigefinger an die Lippen und schürzte sie. Nuala grinste.
»Du bist kein guter Mensch«, meinte sie. »Das mag ich an dir.«
Sie schob mir Pauls CD -Ordner hin und legte die sommersprossige Wange auf ihre Arme. »Bis später.«
Mit Pauls CD s in der Hand stand ich auf und sah nach, wie er sich machte. Er kam mir schon etwas fröhlicher vor. Gott segne sinkende Hemmschwellen. »Also, was hast du hier drin so?«, fragte ich Paul und blätterte bereits in dem Ordner herum. »Das sind ja alles
tote
Typen, Paul.«
»Beethoven ist gar nicht wirklich tot.« Mit seiner Flasche wies Paul in meine Richtung. »Das ist bloß ein Gerücht. Die haben alles vertuscht. In Wahrheit spielt er auf Hochzeiten in Vegas.«
Ich grinste. »So ist es. Oooh, Paul.
Paul.
Was zum Teufel … Du hast eine Kelly-Clarkson- CD hier drin. Bitte sag mir, dass die deiner Schwester gehört. Sag mir, dass du eine Schwester
hast
.«
Offenbar fühlte Paul sich ein wenig in die Defensive gedrängt. »Hey, sie hat eine gute Stimme.«
»Herrgott, Paul!« Ich blätterte weitere CD -Hüllen um. »Dein Hirn muss eine kulturelle Einöde sein. One Republic? Maroon 5 ? Sheryl
Crow?
Bist du denn ein kleines Mädchen? Ich weiß gar nicht, welche deiner CD s ich auflegen könnte, ohne dass mir davon Brüste wachsen und ich eine Sucht nach Pralinen entwickle.«
»Gib das her«, sagte Paul. Er nahm den Ordner und zog eine CD heraus. »Hol mir noch eine Flasche, ich lege inzwischen Musik auf. Ich glaube, es wirkt.«
So kam es also, dass wir gerade Britney Spears mit »Hit Me Baby One More Time« hörten, als der Pizzabote unser Abendessen mit Würstchen und Paprika, extra Käse, extra Soße, extra Kalorien und auch sonst allen Extras an unsere Zimmertür lieferte.
Der Pizzatyp zog die Augenbrauen hoch.
»Mein Freund hat gerade seine Tage«, erklärte ich und drückte ihm sein Trinkgeld in die Hand. »Er braucht eine Dosis Britney und extra Käse, um das durchzustehen. Ich bemühe mich, ihn dabei zu unterstützen.«
Paul sang bereits mit, als ich die Schachtel öffnete und die vorgeschnittenen Stücke auseinanderriss. Ich reichte ihm ein Stück Pizza und nahm mir selbst eines. »Das ist irre, Mann«, erklärte er. »Jetzt verstehe ich, warum die das am College dauernd machen.«
»Britney Spears hören oder Bier trinken?«
»E-mail my heart«,
sang Paul zur Antwort.
Ich hatte ein Monster erschaffen.
»Paul«, wechselte ich das Thema. »Ich habe noch ein bisschen über diesen Metaphernaufsatz nachgedacht.«
Paul betrachtete den Käsefaden, der von seinem Pizzastück bis zu seinem Mund reichte. Damit er nicht abriss, sprach er sehr vorsichtig. »Darüber, was das für eine beschissene Hausaufgabe ist?«
»Genau. Ich hatte mir gedacht, wir könnten vielleicht etwas anderes machen. Zusammen.«
»Mann, ich habe im Internet nachgesehen. So ein Aufsatz kostet um die fünfundvierzig Dollar.«
Ich hob die oberste Schicht Käse von meiner Pizza und kratzte etwas von der Soße darunter ab. »Wovon sprichst du?«
Paul winkte ab. »Ach so. Ich dachte, du meinst, wir könnten uns einen Aufsatz im Internet kaufen. Nachdem Sullivan es erwähnt hat, hab ich mir das mal angesehen. So was kann man für fünfundvierzig Dollar downloaden.«
Ich nahm mir vor, Sullivan daran zu erinnern, dass wir Schüler noch jung und leicht zu beeindrucken waren. »Ich dachte eher daran, dass wir unsere Hausaufgabe über etwas ganz anderes schreiben sollten. Würdest du wirklich einen Aufsatz aus dem Internet kaufen?«
»Nee«, antwortete Paul betrübt. »Selbst wenn ich eine Kreditkarte hätte. Ein trauriger Beweis für meinen Mangel an Mut, nicht wahr?«
»Es ist nicht besonders mutig, irgendjemandem eine Hausarbeit abzukaufen«, versicherte ich ihm. »Wenn du wieder nüchtern bist, habe ich etwas für dich, das du lesen musst. Ein Theaterstück.«
»
Hamlet
ist ein Theaterstück«, bemerkte Paul und streckte die Hand aus. »Lass es mich gleich lesen.«
Ich nahm das Notizbuch von meinem Bett und warf es ihm zu.
Während Paul den Text von
Ballade
las, sang er mit Britney mit. Er unterbrach sich gerade lange genug, um zu sagen: »Das ist verdammt gutes Zeug, James.«
»Eine andere Art Zeug habe ich gar
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