Mitternachtskinder
gestört dadurch, dem menschlichen Kleeauge folgen zu müssen, wohin es ihm zu gehen beliebt. Es gibt Gerüchte, dass sie sich mit den Toten verbünden will, um die Macht des Kleeauges zu brechen. Allerdings weiß ich nicht, mit welch finsterer Magie sie das zu erreichen gedenkt.«
»Aber du kannst sicher sein, dass Blut dazu nötig sein wird«, bemerkte Una. »Viel, viel Blut!«
»Ja«, stimmte Brendan zu. »Menschenblut. Menschliche Verluste. Keine auf Seiten der
Daoine Sidhe
.«
»Was interessiert euch das? Wo ihr doch für Menschen nur eine gewisse Schwäche habt?«, wollte ich wissen.
»Es ist eine Sache, frei zu sein«, erklärte Brendan. »Und eine ganz andere, den einen Herrn gegen den anderen auszuwechseln. Sollen wir denn das Kleeauge gegen den gehörnten König eintauschen und unsere Verbindung zu den Menschen verlieren, um zu werden wie die verlorenen Seelen und dunklen Feen, die er bereits beherrscht? Es ist wahrlich schon schwer genug, Eleanor überhaupt zu folgen, auch wenn sie uns nicht an jenen finsteren Ort führt.«
Da konnte ich nur zustimmen. »Und was wollt ihr von mir?«
»Schütze das Kleeauge«, sagte Brendan. »Gib an Halloween auf sie acht.«
Das war genau das, was ich an meinem letzten Tag in diesem Leben tun wollte: den Babysitter für Dee spielen.
»Ich fürchte, ich werde ein wenig abgelenkt sein«, erwiderte ich barsch. »Ich werde brennen, schon vergessen?«
»Dazu ist ja der Pfeifer da«, erklärte Brendan. »Sag es ihm. Er liebt sie.«
Ich stolperte. Una zog mich wieder hoch. Um uns herum schienen sich die Tanzenden schneller zu drehen, die Musik klang fieberhaft drängend. Während wir herumwirbelten, erhaschte ich einen Blick auf Eleanor und ihren Gemahl, die den Kreis betraten, und die Luft erzitterte vor ihrer Schönheit. Als Eleanor nicht hinsah, schaute ihr Gefährte sie an, und in diesem kurzen Moment wirkte er verängstigt.
Ich stolperte erneut.
»Sie kann nicht mehr tanzen«, meinte Una zu Brendan.
»Ich entscheide selbst, wann ich genug habe«, fuhr ich sie an. »Das weiß niemand außer mir.«
Doch sie ließen meine Hände los, und die Musik brandete wieder in meinen Ohren auf, lauter als zuvor.
Ich wirbelte davon, denn ohne die beiden war ich leichter. Die Tänzer machten Platz für mich, während ich für mich allein tanzte. Der Trommelschlag pulsierte in meinen Adern, aufpeitschend, im Gleichklang mit meinem Herzen. Ich erlaubte mir ganz kurz, mir vorzustellen, James wäre hier im Kreis und tanzte mit mir. Sobald ich den Gedanken einmal gefasst hatte, konnte ich ihn nicht wieder loslassen, und die Vorstellung von ihm – von seinen sonnengebräunten Armen um meine Taille, von seinem sicheren, heißen Körper an meinem, von seiner kratzigen Wange an meiner glatten Haut – erfüllte mich mit einem so feurigen
Verlangen,
dass ich kaum mehr atmen konnte.
Es war wie in einem Wachtraum. Die dumpfen Trommelschläge versprachen endloses Tanzen und ewiges Leben, und ich schloss die Augen und gab mich dem Tagtraum hin. James’ Finger pressten sich an die nackte Haut in meinem Kreuz, während wir herumwirbelten, und ich schien zu brennen. Sein Geruch nach Leder und Seife, seine Stirn an meiner Stirn, seine Hüften an meinen, unsere Körper, die sich wie ein nahtloses Ganzes, wie ein einziges Instrument bewegten, wogten, sprangen, sich drehten. Die Musik trieb uns an und drängte
tanzt tanzt tanzt,
und mein Körper schrie gellend nach
mehr mehr mehr
.
Ich wusste nicht mehr, ob die Welt sich drehte oder ich mich.
Ich wollte es. Ich wollte ihn
hier
haben, wollte mit ihm tanzen, so sehr, dass ich beinahe seine Stimme hören konnte.
Nuala.
Nuala. Mach die Augen auf.
Der Hügel wurde dunkel. Die Nacht überwältigte den Schein der Feenlichter. Die Musik verklang. Ich konnte nur noch die Trommel hören, die pochte wie mein Herz.
Verdammt, Nuala.
Ich konnte Sterne über mir sehen, und nun konnte ich ihn sogar riechen, seinen Dudelsack, seinen Atem und seine Haut.
Nuala, sag mir doch, was ich tun soll. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Sag mir, wie ich dir helfen kann.
Ich konnte nur an eines denken: Wenn er früher gekommen wäre, hätten wir miteinander tanzen können.
Neue Textnachricht
An:
James
Ich kann nicht glauben, dass ich jemanden getötet habe. Ich bin eine mörderin. U. was hat luke getan? Mit den schultern gezuckt. Ich habe mich die ganze zeit selbst belogen. Der echte luke ist nicht mehr da, u. ich hab versucht, ihn trotzdem zu
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