Mitternachtslöwe (German Edition)
ein letztes Lachen zu schenken, doch der Kummer zwang sie in die Knie.
Noch Stunden nachdem das Grab auf dem kleinen Hügel geschlossen war, kniete Sophia davor. Als am Abend der Hügel in dichtem Nebel schwamm legte Sophia sich neben ihre Tochter. Sie stellte sich vor, sie läge in ihren Armen und ihr warmes Lachen würde die Teufel aus ihrem Kopf vertreiben. Sie erzählte ihr Geschichten, sang ihr Lieder, war für sie da. Das würde sie immer sein.
In ihrer Hand hielt Sophia eine lockige Strähne aus Gold.
Nixensang
Der Morgen graute und ein weiteres Leben begann. Für manche, ob sie wollten oder nicht. Jener der über Leben und Tod entscheiden durfte, hatte eine bizarre Vorstellung von Gerechtigkeit. Da lag er zu ihren Füßen. Bewusstlos, aber lebendig.
»In diesen Tagen fliegen viele Eisenadler durch das Licht«, sagte Arlon, »Doch die Menschen sind seit jeher unsere Freunde gewesen, gerne habe ich geholfen.«
»Leider müsst Ihr Euch in diesen Tagen auch vorsehen, Lord Arlon«, sprach Byrger, »Die Menschen, die im Zeichen des Adlers unterwegs sind, sind üble Wesen und haben den Ruf Eurer Art beschmutzt. Jener hier ist einer der Schlimmsten von ihnen.«
In fiebrigem Schlaf lag Vitus am Boden. Arlon hatte nicht unterscheiden können zwischen gut und böse und auch ihn im Sturz abgefangen. Was sollten sie mit ihm tun?
Sophia trauerte seit Tagen auf dem Hügel. Byrger lies sie bei sich. All seine Bemühungen mit ihr zu reden verstrichen in Schweigen.
Und dann war da noch Herr Abaris. Byrger war gerade erwacht, wusste noch nichts vom langen Weg wie er nach unten auf den Boden gefunden hatte, als Arlon mit breiten Flügelschlägen Abaris zu ihnen brachte. Arlon fand ihn nach einer scheppernden Rangelei mit dem Regime im eigenen Blut auf einem Felsen liegend.
So pflegten Arlon und Byrger in ihrem kleinen Lazarett mitten im Wald diejenigen denen es bedurfte. Ein totes Mädchen war zu beklagen, ihre zerrüttete Mutter weinte unaufhörlich, dann war da noch der Alleingänger mit schweren Wunden und der bewusstlose Schrecken.
Immerhin fand Herr Abaris nach wenigen Tagen die Kraft sich selber dank seines Schatzes zu heilen. Kaum konnte er stehen, da wollte er sich wieder davon machen. Doch Byrger hielt ihn zurück und ein wildes Streitgespräch entfachte.
»Ihr müsst zugeben, alleine seid Ihr nicht weit gekommen!« Byrger lies sich nicht auf Geschrei ein, aber sein Ton blieb bestimmend, »Unser Wiedertreffen ist vorherbestimmt. Ihr gehört zu dieser Gemeinschaft. Es ist nur noch ein Schatz, nur einer! Also spielt nicht den Einzelkämpfer, das ward Ihr lang genug!«
Herr Abaris argumentierte wie gewohnt und in einer Lautstärke, dass sogar Arlon Reißaus nahm.
Sophia hielt es nicht mehr aus. Das Geschrei und das Streiten sauste ihr in den Ohren. Sie hatte genug davon. Sie wollte ihre Maria, das nette, kleine Mädchen das ihr so viel geben konnte.
Und mittmal fegte ein einzelner Gedanke durch ihren Kopf. Er trudelte im Kreis, wie ein Blatt in einem Wirbelwind. Der Wind schwächte ab und da lag der Gedanke, ganz klar vor ihr.
Sophia suchte in dem Säckchen. Da war es. Sie fing an zu graben. Der Regen hatte den Boden in lehmigen Morast verwandelt, doch erbittert grub Sophia mit ihren Händen weiter. Die ganze Zeit lag die Lösung da, nur hatte sie es nicht gesehen. Sie kratzte mit den Fingernägeln die harten Schlammschichten ab, um tiefer zu kommen.
Abaris und Byrger eilten herbei und zerrten sie weg. Sophia schrie und schlug um sich. Sie riss sich los, aber sie zogen sie wieder zurück. Verzweifelt gab Sophia auf.
»Wir sollen die Welt verändern, doch ich schaffe es noch nicht einmal einem Kind ein gutes Leben zu schenken«, klagte Sophia. Aus ihrer Hand kullerte die Ampulle mit Paracelsus' Lebenselixier.
»Sophia«, sprach Byrger besorgt, »Man sollte sich nicht fragen, ob man die Welt verändern kann, sondern wie man dies anzustellen gedenkt. Aber dies ist gewiss nicht die richtige Art. Die Toten sollen ruhen.«
Der Wirbel in Sophias Kopf drehte erneut. Der Wind kam von allen Seiten. Aus dem Strudel wurde ein Sturm, eine tobende Gewalt. Er verlies die beengende Zuflucht von Sophias Kopf und floss heraus. Und in dem Land um den kleinen Hügel herum tat sich ein Unwetter auf. Blitze zuckten vom Himmel, brannten ganze Waldstücke nieder. Wind peitschte den Regen durch die Kronen der Bäume, dass sie sich kaum halten konnten.
Unten in der Mitte des Spektakels stand Lilith. Doch währte ihr Bleiben
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