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Mitternachtslöwe (German Edition)

Mitternachtslöwe (German Edition)

Titel: Mitternachtslöwe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Langenkamp
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zu zaubern.
    »Na los, Platz da!«, polterte Vitus Stimme von draußen heran, »Aus dem Weg verdammt! Und du, beweg dich! Jetzt bist du nicht mehr so zickig, was?« Vitus kam zur Tür hinein und zog etwas, das an Ketten gefesselt war, hinter sich her. Jemanden.
    »Sophia«, rief Abaris.
    »Schnauze oder dir ergeht es gleich genauso wie ihr!«, brüllte Vitus und zog Sophia mit einem Ruck zu sich heran. Um ihren Hals schnürte sich eine massive Kette. Sophia hatte sichtlich Probleme nicht von den dicken Gliedern erdrosselt zu werden. Mit ihren Händen versuchte sie die Spannung zu lockern. Ihre linke Gesichtshälfte war feuerrot vom Blut, welches ihr von der Stirn über die Wange bis zum Hals herunterfloss. In ihrem Gesichtsausdruck spiegelte sich Leid und Schmerz wieder. Gequält sah ihr Blick aus, der sich in Abaris Augen verankerte, ihm einen stummen Hilfeschrei zuwarf. Das Blut brodelte in ihm.
    Ihr Mistkerle! Das werdet ihr noch bereuen!
    »Und ihr verschwindet jetzt alle! Los, raus hier!«
    Guter Umgangston gehörte gewiss nicht zu jenen Dingen, die man in der Ausbildung beim Regime lehrte. Die Männer verschwanden und schlossen die Tür der Baracke. Vitus baute sich vor den dreien auf, Sophia an der Leine neben ihm. Jetzt konnte Abaris ihm zum ersten Mal ins Gesicht schauen.
    Vitus war eine groteske Abscheulichkeit. Seine blasse Haut bedeckten unzählige Narben, die den Anschein hatten nicht verheilen zu wollen. An seiner Nase fehlte ihm ein großes Stück Haut, sodass die Knochen darunter zu sehen waren, was ihm ein skelettähnliches Aussehen brachte.
    Doch als Abaris sah, was er am Leib trug, war Vitus' Gesicht das weniger Abschreckende seiner Erscheinung. Zwar trug er den Mantel aus geschwärzten Adlerfedern, der den Soldaten des Regimes ihren Spitznamen gab, doch an seiner Rüstung darunter prunkten, in sorgfältiger Handarbeit befestigt, Errungenschaften grausamer Metzeleien. Es waren nicht nur Knochen. Fremdes Fleisch und Blut vermoderte an ihm.
    Um den Hals trug er eine Kette aus Augäpfeln. Blinzelten sie etwa noch? Zwei abgetrennte Hände umfassten fest jeweils eine Schulter. Die Brust Vitus' zierten mehrere Hautlappen die einst Gesichter gewesen waren. Die Münder hatte er lang gezogen, sodass es aussah, als würden seine Opfer bis in alle Zeit vor ihrem Peiniger erschrecken. Am Gürtel hing zur Zierde eine Reihe Schrumpfköpfe. Doch waren diese nicht trocken, wie es für Schrumpfköpfe üblich ist, sondern eher frisch und saftig.
    Seine brüchigen Finger kratzten über seine Donnerbüchse, geschnitzt aus Knochen. Das trompetenförmige Metallstück wurde von mehreren Armknochen verziert, deren Hände sich an der Öffnung festhielten.
    Auf den Stiefeln sorgten zwei Schädel dafür, dass sein Schuhwerk geschützt blieb. Nur die Beinpanzerung war ungeschmückt und bot noch Platz für neue Abartigkeiten.
    Abaris war maßlos entsetzt. In seinen Augen glich Vitus eher einem Monster als einem Mensch. Er zeigte erneut zu was das Regime imstande war und warum man es aufhalten musste. Byrger schien der Anblick Vitus' nicht zu schrecken, sein Mienenspiel zeigte sich wie immer unbewegt. Odilo hingegen war dabei seinen Mageninhalt auf den Boden zu entleeren.
    »Also, was treiben ein hübsches Mädchen und drei Kerle wie ihr in meiner Gegend?«, fragte Vitus, während er sich auf den Stuhl setzte, der bezogen auf seine Figur lächerlich klein wirkte.
    »Das geht dich nichts an«, schoss es auf Byrgers Mund.
    Dass er Vitus duzte zeugte davon, dass Byrger, genau wie Abaris, keinerlei Achtung vor Vitus zu haben schien.
    »Und ob es mich was angeht!«, brüllte Vitus und ließ seine Faust auf den mickrigen Tisch schmettern. Das Holz des Möbelstücks knackte gewaltig. Es war verwunderlich, dass es bei dem Hieb nicht sofort auseinander brach.
    »Wenn ihr glaubt ihr könntet mit mir Spielchen treiben, dann steck ich euch gleich wieder in die Zelle. Da könnt ihr vermodern, bis wir euch dem Würger vorwerfen. Nochmal: Was treibt ihr hier?«
    Niemand antwortete.
    Vitus' Miene verdüsterte sich. »Antwortet!« Die Wucht seiner Faust brachte den Tisch zum bersten.
    Abaris sah wie Sophia zusammenzuckte und ihr Tränen in die Augen stiegen.
    Ganz unerwartet meldete sich Odilo mit zittriger Stimme zu Wort. »Bitte, wir sind nur Händler. Wir wollten unsere Waren...«
    »Händler?« Vitus lachte aus voller Kehle. »Natürlich, Händler! Für wie dumm hältst du mich?« Vitus nahm seine Donnerbüchse und zielte damit auf Odilo.

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