Mitternachtslöwe (German Edition)
habe seit Wochen nichts gegessen. Ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sie auch meinen Kadaver an die Bestie verfüttern.«
»Welche Bestie?«, fragte Abaris angeekelt, ohne die Antwort zu wissen.
Der Mann schaute sich ängstlich um. Als er sicher sein konnte, dass niemand sonst ihn hörte, flüsterte er: »An den Würger.« Seine Augen huschten suchend hin und her. Der Dürre brachte ein räusperndes Lachen hervor. Dann wurde er auf einmal wieder ernst. Er schaute sich um. Niemand lauschte. »Der Würger vom Teufelsmoor. Eine blutrünstige Bestie. Ein Wolf, größer als ein ausgewachsener Mann und so stark wie zwanzig Bären. Schon seit Jahrzehnten treibt er sein Unwesen hier im Teufelsmoor. Er hat unser Vieh gerissen, Angst und Schrecken verbreitet, sogar Menschen sind spurlos verschwunden.« Der Dürre wirkte auf einmal völlig aufgelöst. Nur der Gedanke an diese Kreatur jagte ihm einen Schrecken ein. »Seine riesigen Reißzähne sind so scharf, wenn er dich kriegt, reißt er dich wie Papier in kleine Fetzen und zermalmt deine Knochen, als wären sie aus morschem Holz. Viele Jäger haben versucht ihn zu erwischen, alle wurden vom Würger verspeist. Doch jetzt haben die ihn gefangen und versuchen ihn abzurichten.« Der dürre Mann zitterte am ganzen Körper.
»Abrichten? Wozu?«, wollte Abaris wissen.
»Damit er tut was wir wollen!«, schnaubte eine tiefe Stimme hinter Abaris.
Der dürre Mann erschrak und flüchtete in eine dunkle Ecke des Gefängnisses.
Abaris schnellte herum. Am Gitter stand ein großer Mann, sein Gesicht im Schatten verborgen, aber sein Ton und die Art, wie er sich vor ihnen aufbaute, ließ darauf schließen, dass er hier etwas zu sagen hatte.
»Du bist einer von denen die letzte Nacht aufgegabelt wurden. Ganz schön neugieriges Bürschchen,« sagte der Mann vor den Gitterstäben. Er trat ein paar Schritte näher und musterte Abaris genauer.
Da kam aus dem Dunkel eine kleine Gestalt angerannt. »Vitus! Vitus!«
»Was ist denn?«, brüllte Vitus genervt.
»Du solltest herkommen. Die Frau macht uns echte Probleme!«
Sophia!
Abaris war sich sicher, dass sie über Sophia sprachen. Es erleichterte ihn zu hören, dass sie diesen Mistkerlen Probleme bereitete. Auch wenn es wohl nicht in Sophias Sinn war, hoffte er innerlich, dass sie diese Bande genauso, wie die Sirenen im Wald, schmoren ließ. Er hatte sich unnötig Sorgen gemacht. Sophia war zäh und würde sich nicht so leicht von diesen Hampelmännern unterkriegen lassen.
Ja zeig es ihnen!
»Verdammt, was ist so schwer daran mit einem einzigen Frauenzimmer klarzukommen?«, fauchte Vitus.
»Du solltest wirklich herkommen!«
»Ihr werdet nicht mal mit einem kleinen Mädchen fertig!«
Wenn das Sophia gehört hätte!
»Na gut. Nehmt die drei, die zu ihr gehören, mit. Aber passt bloß auf! Die sind gewieft wie ein findiges Wiesel!«
»Ja klar. Kein Problem.«
»Ach, kein Problem wie so ein Weibsbild im Zaum zu halten?«, schnauzte Vitus den Kleinen an und schubste ihn hart bei Seite. »Sieh zu, dass die Kerle in die Baracke kommen!«, brüllte Vitus.
Abaris tastete nach seinem Stab. Er war nicht da. Mann musste ihn Abaris abgenommen haben. Zu gerne hätte er diesem Vitus damit eins verpasst, wenn man sie hier herausholte.
Der kleine Kerl pfiff ein paar der Männer ran, die am Feuer saßen. Der Kerker wurde geöffnet und Byrger, Odilo sowie Abaris unsanft hinausgezogen. Die Männer fesselten ihnen die Hände und trieben sie einem nach dem anderen voran, wie eine Herde Rinder auf dem Weg zum Schlachter.
»Los Bewegung und zwar zackig! Und keine Dummheiten sonst macht ihr Bekanntschaft mit meiner Donnerbüchse!«, schnauzte der Kleine seine Gefangenen an und hielt ihnen demonstrativ ein Stück Holz mit einem langen, trompetenförmigen Metallrohr daran vor die Nase, um es darauf Abaris in die Rippen zu schlagen. Er biss die Zähne zusammen. Unter ständigen Beschimpfungen sich schneller zu bewegen brachte man sie in eine der kleinen Hütten.
Die Inneneinrichtung, wenn man es denn so nennen mochte, fiel grob und rustikal aus. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Strohlager. Mehr brauchte ein dreckiger Federmantel anscheint nicht, um sich heimisch zu fühlen. Die ganze Hütte, sowie das Mobiliar, sahen sehr notdürftig zusammen gezimmert aus. Auf die Schnelle und nur für einen Zweck, den Krieg, produziert. Selbst das sonst so warme Licht der Öllampen, welche von der Decke hingen, vermochten in dieser düsteren Umgebung keine Gemütlichkeit
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