Mitternachtslöwe (German Edition)
Odilo.
»Odi«, begann Abaris und legte Odilo die Hand auf die Schulter, »alles Gute.« Der Blick zwischen den beiden sagte mehr als das gesprochene Wort.
Maria streichelte ein letztes Mal über Emmas samtiges Köpfchen. Dann machten sich die Katzendame und der glattrasierte Mann mit dem Oberlippen- und Spitzbart und dem vollen Haarschopf auf in Richtung Stadtmauer, hin zum Krieg in der Hoffnung dort im Getümmel der Schwerter seine Familie, seine richtige Familie, zu finden.
Abaris, Byrger, Sophia und Maria schauten ihm noch eine Weile hinterher. Einmal drehte er sich noch um, winkte und zeigte ein letztes Mal sein strahlendes Lächeln.
Von der Straße aus sah der Michelsberg gar nicht so gewaltig aus. War er eigentlich auch nicht. Der schier endlos lange Weg hinauf vermittelte den Eindruck, der Berg wäre viel hochgewachsener. Immer wieder schlängelte sich die schmale Straße, wand sich hier und dort, so als hätten man sie entlang des sprunghaften Pfads einer Bergziege erbaut. Der kleinen Maria waren schon die Beinchen schwach geworden, warum Abaris sie Huckepack trug.
»Ist das das Kloster von dem Mimmi geredet hat?«, fragte Maria.
»Ich denke schon«, pustete Abaris.
»Da werde ich aber nicht jeden Tag hoch und runter laufen«, verweigerte das Mädchen mürrisch.
»Ich bin froh wenn wir es einmal hoch schaffen.« Normalerweise hätte Abaris ein zehn jähriges Kind auf dem Rücken nicht viel aus gemacht. Der vor den Augen der Ulmer und des Regimes verborgene Flug mit seinem Stab hatte sehr an seinen Kräften gezerrt. Als Maria ihn genau auf dieses Thema ansprach, warum sie denn nicht einfach fliegen würden, antwortete Abaris schlicht: »Nächstes Mal.«
Um so höher sie kamen, um so lauter wurde wieder das Toben des Krieges. Ungefähr auf halben Wege sah Abaris rüber zur Stadtmauer. »Seht nur...«
Die Luft war durchzogen vom Klirren hunderter Schwerter und Äxte, sowie vom Zischen tausender Pfeile. Jeder Bewohner der Stadt half dabei die Angriffe des Regimes abzuwehren. Keine Lücke entlang der Mauer war noch frei in die sich ein Hirschkäfer hätte quetschen können. Der fiese Geruch des Pechs, das man den Soldaten des Adlers über die Häupter goss, breitete sich über die gesamten Stadt aus.
Niemand von ihnen wusste wie lange dieser Kampf schon andauerte, aber es sah aus, als wäre Ulm einem Angriff wie diesem gewachsen. Vielleicht hatten sie Glück gehabt und wurden rechtzeitig gewarnt. Doch ewig würde der steinerne Wall die Bewohner nicht schützen.
»Ich weiß nicht«, sagte Sophia mit zerflossener Stimme, »Manchmal denke ich es wäre einfacher auch das Schwert zu ziehen und in den Kampf zu ziehen, den Menschen direkt zu helfen statt sie auf ein Wunder warten zu lassen.«
»Wir helfen ihnen am meisten indem wir unsere Aufgabe erfüllen«, sagte Byrger präzise, »Kommt, wir müssen weiter.«
Merkwürdigerweise streiften Sophias Gedanken genau die von Abaris. Auch er wäre lieber bei den Leuten, um ihnen beizustehen, im Kampf sowie mit heilender Kraft seines Stabes.
Und wenn der General wirklich ganz in der Nähe ist...
Aber nun waren sie so weit gekommen schon bald Paracelsus' erstes Vermächtnis in den Händen zu halten, und Abaris war gespannt, was es denn nun sein möge, dieser „Schatz“, einer von dreien, der die Welt zu verändern im Stande sein sollte.
Doch noch führte der Weg dahin den Michelsberg hinauf.
Also los.
Von der orangen Himmelsmalerei blieb nur noch eine Erinnerung. Es dämmerte schon fast, der Himmel wandelte sich zu grau. Ein gespenstisches grau.
Nur noch eine Biegung, die großen Türen des Klosters waren schon zu erkennen.
»Dieser Ort«, Byrger sah sich wachsam um, »er wird von Magie umschwärmt. Ich kann es deutlich fühlen.«
»Wenn das mal nicht eher der Kalk ist, der durch Eure Adern kriecht«, murmelte Abaris in sich hinein. Zum Glück hörte Byrger dies nicht.
Müde und kraftlos oben am Kloster angekommen, setzte Abaris Maria ab. Er atmete tief durch.
»Schau mal eine Winterblume«, frohlockte Maria und tänzelte zu der Blume, um sie zu bestaunen.
Doch Abaris wollte jetzt keine Blumen ansehen, sondern nur verschnaufen und sich setzen. Die Steinstufen, die zur Tür des Klosters raufführten erschienen genau richtig dafür.
»Hört nur«, sagte Sophia.
Sie lauschten. Aus dem Kloster erklang Gesang. Es war also immer noch besetzt.
»Ich werde klopfen«, sprach Byrger. Er trat an die Tür und betätigte den Türklopfer.
Staunend, mit
Weitere Kostenlose Bücher