Mitternachtslöwe (German Edition)
Sophia stützte ihn sorgsam ab. »Was... ist denn passiert?«
Sophias Blick trübte sich, wie aufwirbelnder Grund das Wasser eines flachen Baches. »Wir haben Byrger verloren. Der Würger... er...« Sophia brach in Tränen aus. »Ich dachte ich hätte auch dich noch verloren.« Sie presste sich fest an Abaris, freute sich so sehr, dass dieses Mitglied der Familie wohl auf war.
Ein Ulmer Soldat unterbrach das glückstrahlende Wiedersehen. »Kommandeur, kommen Sie schnell, das müssen Sie sich ansehen.«
Gleich neben dem Häuschen, am seichten Ufer, begann das Wasser zu blubbern. Reflexartig richteten sich die blanken Metalle der Ulmer auf die Bläschen.
» Ruhiglich, ruhiglich«, beschwichtigte Streu seine Männer.
Das Sprudeln nahm zu, ätzender Gestank stieg empor. Die Wasseroberfläche beulte sich nach oben und mit einem großen Spritzer tauchte der verschmorte Leib des Würgers aus dem Wasser auf. Einmal stieß er ein schmerzliches Brüllen aus, bevor er röchelnd und wimmernd am Ufer zusammenbrach. Bleich und starr wie Kalkstein standen die Ulmer vor dem Ungetüm, das sich seiner letzten Atemzüge gefällig machte. Große Teile seines Rückens waren bis auf die Knochen verbrannt. Von seinem Kopf hingen große Fleischlappen und das rechte Auge, einst so schwarz und unerreichbar wie ein Schatten in der Nacht, zerfloss im Strom aus Blut. Seine Atmung verkümmerte zu einem flachen Kratzen, als würde ein Knochen über einen Schleifstein gezogen.
Seinen letzten Herzschlag tat der Würger vom Teufelsmoor, als seine Bauchdecke sich öffnete und sich sein Gedärm davor ausbreitete. Zunächst sah es aus, als würden sie wabern, sich verselbständigen, doch erhob sich schwerfällig daraus eine Gestalt.
»Unmöglich was dieses Ding frisst«, sagte Byrger und warf die Glasscherbe beiseite. Sein Gesicht machte einen angewidert und verkrampften Ausdruck. Verdrossen wischte er sich den Dreck vom Gewand, welches mehr als einer ordentlichen Handwäsche bedurfte, um je wieder in dem Weiß zu erstrahlen, wie es dies einst tat.
Die Last, um die sich Sophias Herz erleichterte, glich dem Gewicht Paracelsus' Goldschatzes aus dem Kloster. Wenn nicht sogar dem doppelten davon. Sie weinte weiter, doch waren es nun freudige Tränen. Beherzt schloss Sophia den weisen Zauberer fest in ihre Arme, egal wie sehr sie sich dabei besudelte. »Ich dachte ich sehe dich nie wieder!«
»Das hatte ich auch befürchtet«, sprach Byrger Tidesson mit einem gehobenem Lächeln, welches der Sichel eines Halbmondes glich. »Ich dachte, wenn das Biest mich schon frisst, dann verderbe ich ihm ordentlich den Magen und bin ihm schneller genau dort hin gekrabbelt, als es das vertragen mochte.«
»Ein wahrhaftig fantastisches Kunststück«, sagte Abaris staunend. »Abstoßend und ekelig, aber erstaunlich«, fügte er witzelnd hinzu.
»Horcht auf!«, rief der Kommandeur.
Erneut regte es sich am Wasser. Ein weiteres Geschöpf zerrte sich ans Land. Es war Vitus, lebendig.
Maria suchte Schutz hinter Sophia. Hütend legte sie einen Arm um das Mädchen. Hektisch griffen die Ulmer abermals zu den Waffen. Doch Vitus kniete vor seinem dahingegangenen Schützling nieder, streichelte ihm über den enormen Kopf. Dieser Schrecken des Regimes trauerte, ja weinte sogar.
»Es ist aus Vitus«, sagte Abaris, »Ergib dich, dann wird man dich vielleicht nicht sofort töten!«
»Du!«, spuckte Vitus und drehte sich zu ihnen, »Ihr alle!« Sein Blick grub sich durch die Brust seiner Widersacher und zerquetschte ihnen das kümmerliche Herz. »Es ist erst vorbei, wenn dein Blut und das deiner Rotte durch meine Hände fließt. Ich werde mich laben an euren Eingeweiden. Egal wo ihr hingeht, wo ihr euch versteckt, egal wie viel Zauber ihr auch sprechen mögt, ich werde euch finden, euch die Haut abziehen, in siedendem Fett schmoren lassen und jedes eurer Körperteile mit Wonne zu einer schrecklich-schönen Rüstung verarbeiten, sodass ich mich jeden Tag an euren erbärmlichen Gesichtern ergötzen kann. Kein Löwe oder irgendein anders Hirngespinst wird das Regime aufhalten!« Er riss sich einen seiner Schrumpfköpfe vom Gürtel und donnerte ihn auf die Erde. Der fleischige Klumpen begann zu schreien, so schrill und laut, dass sich alle die Ohren zuhielten.
Das abstruse Schreien schallte in Sophias Gehörgängen wieder, als wolle sich ein Schwarm teuflischer Singvögel durch ihr Trommelfell picken. Sie schmiss sich zu Boden und aus der Luft senkte sich ein schwarzer Vogel
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