Mitternachtslust
ramponierte Visitenkarte aus der Hosentasche zog und dem Kommissar reichte, der sie mit einem ehrerbietigen Nicken entgegennahm.
»Selbstverständlich werde ich mir niemals eines Ihres Bilder leisten können«, bemerkte der Kommissar, während er Alexanders Visitenkarte sorgfältig in seiner Brieftasche verstaute.
»Aber darüber lässt sich doch reden! Wenn Sie mich in meinem Atelier besuchen, sagen Sie mir, welches von den Bildern Ihnen besonders gut gefällt. Wir können uns sicher auf einen angemessenen Preis einigen. Warum soll eine traurige Geschichte wie diese nicht wenigstens für einen Menschen etwas Positives mit sich bringen?«
»Das wäre wirklich … Einen echten Burg zu Hause zu haben war schon immer mein Traum! Ein unerreichbarer Traum!« Über das Gesicht des Kommissars zog eine unnatürliche Röte, während in seinen Augen die Gier aufflackerte.
»Vielleicht doch nicht so unerreichbar.« Alexanders verbindliches Lächeln wurde zu einem kumpelhaften Grinsen, während er gleichzeitig einen besorgten Blick in die Ecke der Couch warf, wo Melissa saß und das Gefühl hatte, von Minute zu Minute blasser und schmaler zu werden.
»Lieber Herr Meiners«, fuhr er fort, denn natürlich hatte Alexander sich im Gegensatz zu Melissa den Namen des Kommissars gemerkt, »ich befürchte, wenn Frau Sander nicht bald zur Ruhe kommt, wird es ihr morgen noch schlechter gehen als heute.«
»Natürlich.« Wie an einem unsichtbaren Faden gezogen, sprang der Kommissar aus seinem Sessel hoch. »Wenn Sie möchten, kann ich unseren Arzt bitten, Frau Sander eine Spritze zu geben oder ihr wenigstens ein paar Tabletten hierzulassen. Vielleicht ist Doktor Schirmer noch draußen bei dem, äh, bei dem Opfer.«
Er warf Melissa einen ängstlichen Blick zu, als müsse er befürchten, dass allein die neuerliche Erwähnung ihres toten Ehemannes einen Zusammenbruch verursachen könnte.
Melissa schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. Sie wollte keinen Arzt, keine Spritzen und keine Tabletten. Sie wollte nichts als ihre Ruhe.
»Sie sollten versuchen, ein wenig zu schlafen«, riet Kommissar Meiners ihr mit Expertenmiene und schüttelte ihr wie nach einem Höflichkeitsbesuch die Hand.
In der Halle war es inzwischen still geworden. Offensichtlich hatten all die Menschen, die innerhalb erstaunlich kurzer Zeit nach Alexanders Anruf aufgetaucht waren, ebenfalls ihre Arbeit beendet.
»Ist er … haben Sie ihn weggebracht?«, entschlüpfte es Melissa.
Der Kommissar nickte mit väterlicher Miene. »Wenn Sie möchten, können Sie ihn nach der Obduktion noch einmal sehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Vielen Dank«, flüsterte sie und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Ich glaube, ich möchte ihn so in Erinnerung behalten, wie er aussah, als er noch lebte.«
Alexander warf ihr einen kurzen erstaunten Blick zu, bevor er die beiden Beamten zur Tür begleitete. Als er zurückkam, saß Melissa immer noch regungslos in der Sofaecke und starrte die Wand an. Er ließ sich neben ihr in die Polster fallen.
»Danke«, sagte sie nach langem Schweigen. »Warum hast du das für mich getan?«
»Keine Ahnung«, erwiderte er leichthin.
»Wenn sie irgendetwas finden, das darauf hindeutet, dass wir gelogen haben, werden sie dich genauso in Verdacht haben wie mich.« Die Müdigkeit ließ sie lallen wie eine Betrunkene.
»Keine Sorge! Der Kommissar hat mir draußen anvertraut, dass für ihn der Fall völlig klar ist. Ein Einbrecher wurde vom Hausherrn überrascht und schlug zu. Da es im Haus wegen der Party von Fingerabdrücken wimmelt und der Eindringling wahrscheinlich ohnehin Handschuhe trug, gibt es kaum Chancen, ihn zu identifizieren, selbst wenn er bei der Polizei aktenkundig ist. Schließlich habe ich angegeben, ihn nur von hinten gesehen zu haben. Unser Freund Meiners hegt keinerlei Zweifel an unserer Geschichte. Und er sieht kaum eine Möglichkeit, den Täter zu finden.«
Melissa hob den Kopf, der auf Alexanders Schulter gesunken war. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei einen solchen Fall so rasch zu den Akten legt. Schließlich war es Mord.«
»Glaube mir, der liebe Herr Meiners wird froh und glücklich sein, die Akte zu schließen, wenn ich ihn darauf aufmerksam mache, was für eine Belastung es für dich ist, immer wieder zu der Geschichte befragt zu werden, womit auch jedes Mal der Schmerz von neuem aufgewühlt wird. Er wird besonders glücklich sein, wenn ich ihm an Ende dieses Gesprächs eines meiner Bilder
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