Mitternachtslust
zartblauen See zerplatzte, merkte sie, dass sie weinte. Energisch wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen und schlug das Buch an einer anderen Stelle auf.
» Ich bin die glücklichste Frau der Welt«, war unter dem 20. März 1861 notiert. » Heute Nachmittag hat er mich gefragt, ob ich ihn heiraten will! Ich hatte mir so sehr gewünscht, aus seinem Mund diese Frage zu hören, aber als er sie mir endlich stellte, bekam ich kein Wort heraus. Ich konnte nur stumm nicken. Wieder und wieder bewegte ich den Kopf auf und ab und war nicht in der Lage, damit aufzuhören, bis er mich endlich in die Arme nahm und küsste.
Nie zuvor bin ich so geküsst worden! Auch nicht an jenem Abend auf dem Ball bei den Brockmanns, als Julius mich in den Park begleitete, weil ich behauptet hatte, mir wäre schrecklich heiß und ich brauchte unbedingt frische Luft. Das damals war ein Kinderkuss – obwohl er es wert war, dass Mutter eine ganze Woche böse auf mich war, weil ich vor aller Augen mit einem fremden Mann den Ballsaal verlassen hatte. Natürlich war Julius niemals fremd für mich! Er war mir vom ersten Moment an vertraut, als hätte ich ihn schon immer gekannt.
Und weil ich wusste, dass er mir gegenüber genauso fühlte, habe ich auch immer gewusst, dass wir eines Tages heiraten würden. Dennoch brachte sein Antrag mich zum Beben. Ich klammerte mich an ihn wie eine Ertrinkende, und als er mit seiner Zunge in meinem Mund, so sanft und warm, all diese unglaublichen Gefühle in mir auslöste, glaubte ich, ich müsste auf der Stelle ohnmächtig werden.
Zum Glück geschah das nicht. Ich genoss die unendliche Zärtlichkeit seiner Berührung, die meinen ganzen Körper in Flammen setzte. Wie flüssiges brodelndes Feuer fühlte mein Inneres sich an. Und ich wusste, nur er würde diese Glut löschen können.
Natürlich war ich völlig von Sinnen, als ich nach seiner Hand griff und sie auf meine Brust legte. Dennoch bereue ich nichts. Wie hätte ich jemals ahnen können, was allein die Fingerspitzen dieses Mannes vermögen! Erst glitten sie nur über den Stoff meines Kleides. Mir stockte der Atem, als die Spitzen meiner Brüste zu kribbeln begannen. Es war ein sehnsüchtiges, drängendes Prickeln, das nach mehr und immer mehr verlangte.
Als seine Finger ein oder zwei Knöpfe öffneten und sanft in den Ausschnitt meines taubengrauen Seidenkleides glitten, konnte ich ein ziemlich unanständiges Stöhnen nicht mehr unterdrücken.
Seine Hände waren auf meiner Haut! Dort, wo mich noch nie ein Mann berührt hatte. Dennoch fühlte es sich richtig an. Richtig und einfach wunderbar. Das Kribbeln und Prickeln wurde fast unerträglich, die Knospen meiner Brüste schwollen an und die Brüste selbst lagen wie glatte schwere Kugeln in seinen Händen. Selbst in diesem Moment, in dem ich diese Dinge niederschreibe, von denen außer ihm und mir niemals jemand etwas erfahren darf (Mutter würde mich umbringen!), fühle ich das Ziehen und die Sehnsucht bis weit hinunter in meinen Bauch.
Ich glaube, gestern Abend hätte er alles mit mir tun können. Alles!
Doch dann nahm er plötzlich seine Hände von meinem Körper und schob mich sanft von sich.
›Wir dürfen das nicht, Annabelle‹, sagte er leise. Seine Stimme klang rau. ›Nicht bevor wir verheiratet sind.‹
Natürlich hatte er Recht, und doch hätte ich ihm am liebsten widersprochen. Ich tat es nicht, sondern schloss nur rasch wieder die Knöpfe. Einer von ihnen war abgesprungen. Ich musste ihn heimlich annähen, sobald ich wieder zu Hause war. Leider ist Mutter ziemlich scharfsichtig und in letzter Zeit auch argwöhnisch. Am liebsten hätte sie mir heute meinen gewohnten Ausritt verboten, doch da sie mir den Grund nicht nennen wollte – schließlich wird sie nicht müde, zu beteuern, dass sie mir vertraut –, ließ sie mich dann doch gehen. Also verließ ich mit pochendem Herzen das Haus, um meinen geliebten Julius zu treffen. Und er machte mir einen Antrag und mich damit zur glücklichsten Frau der Welt. Ich kann es kaum erwarten, ihm ganz und für immer zu gehören!
Erst als sie am Ende des Abschnitts angekommen war, bemerkte Melissa, dass sie beim Lesen fast vergessen hatte, Luft zu holen. Ihre linke Hand hatte sie gegen ihre Brust gepresst, die sich ungewohnt schwer gegen den zarten Stoff ihres BHs drängte.
Sie wartete einen Moment, bis ihr Atem sich wieder beruhigt hatte, und schlug dann das Büchlein weiter hinten auf. Oben auf der Seite stand diesmal als Datum der »
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