Mitternachtslust
kein Problem war, exakt um achtzehn Uhr dreißig ein Konto auf ihren Namen zu eröffnen.
»Wenn Sie möchten, können Sie für das Konto ein Kennwort vereinbaren. Sie haben dann die Möglichkeit, auch telefonisch Überweisungen und anderes zu erledigen.«
Der adrett gekleidete Bankangestellte mit dem ordentlich gescheitelten Haar sah sie abwartend an, während seine Hände über der Computertastatur schwebten.
»Das ist eine gute Idee«, lobte Melissa ihn. »Ich würde dann auch gern für das gemeinsame Konto – also das Konto, das auf meinen Namen und auf den meines Mannes läuft – ein solches Passwort vereinbaren.« Melissa leckte sich über die Lippen, die plötzlich ganz trocken waren.
»Das ist natürlich ebenfalls möglich. In diesem Fall benötigen wir allerdings auch die Unterschrift Ihres Mannes.«
»Die lasse ich Ihnen in den nächsten Tagen zukommen, wenn Sie mir das entsprechende Formular mitgeben. Mein Mann wird begeistert davon sein, dass Geldgeschäfte heute so praktisch organisiert werden können.«
»Und wie sollen die beiden Kennwörter lauten?«
»Als Kennwort für das neue Konto nehme ich …« Melissa dachte mit krauser Stirn nach. »Freiheit«, verkündete sie dann, wobei sie tief ausatmete.
Zwei der etwas zu kurzen, etwas zu dicken Finger tippten eifrig die Buchstaben ein.
Dann fütterte der Bankangestellte seinen Computer mit den Daten für das Konto, das auf ihren und Richards Namen lief. »Ich drucke Ihnen ein Formular aus, auf dem Ihr Mann dann bitte mit seiner Unterschrift bestätigt, dass er ebenfalls über das Kennwort informiert ist. Sobald es registriert ist, wird es schwierig und kompliziert für Sie beide, Ihre Bankgeschäfte zu tätigen, wenn Sie das Kennwort nicht nennen können. Ihr Konto ist aber auf diese Weise auch sicherer.«
»Sehr gut.« Melissa machte ihren Rücken gerade, schlug die Beine übereinander und maß den Mann mit einem hoheitsvollen Blick.
»Welches Kennwort wählen Sie für das gemeinsame Konto?«, erkundigte er sich mit tatendurstig zuckenden Zeigefingern.
»Nehmen wir Gleichheit« , beschloss Melissa. »Und wenn wir noch mal ein drittes Kennwort brauchen, kommt Brüderlichkeit dran.« Richard hatte eine Schwäche für Geschichten rund um die französische Revolution. Wahrscheinlich faszinierte ihn der effiziente Einsatz der Guillotine.
»Sehr originell!«, murmelte der Bankangestellte und begann zu tippen.
Als Melissa zehn Minuten später ihren Wagen in die Garageneinfahrt lenkte, lag der langgestreckte Bungalow dunkel inmitten der ihn umgebenden Rasenflächen. Nur die Außenbeleuchtung brannte helle Punkte in die mondlose Nacht.
Gleich hinter der Haustür streifte sie die neuen, unbequemen Schuhe ab, die sie sich extra wegen des geplanten Restaurantbesuchs angezogen hatte. Auf Strümpfen stieg sie die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Hier holte sie den kleinen Handkoffer aus dem obersten Fach des begehbaren Schranks und warf ihn auf das Bett. Dann riss sie wahllos ein Kleid mitsamt Bügel aus dem Schrank und ließ es auf den Koffer fallen. Unterwäsche und Strümpfe flogen hinterher. Während sie in der Schublade wühlte, in der sie ihre Nachthemden aufbewahrte, hielt sie plötzlich inne, ließ das Seidenhemd fallen, das sie gerade in der Hand hielt, lief zu dem Tischchen neben ihrem Bett und griff nach dem schnurlosen Telefon.
Susanne meldete sich bereits nach dem zweiten Klingeln und sprudelte sofort nach der Begrüßung los: »Hallo, Melissa. Ich bin schrecklich in Eile. Heute Abend ist diese Cocktailparty in der Firma unseres Kunden. Wenn du Lust hast, kannst du mitkommen. Ich finde sowieso, dass du viel zu selten unter Menschen gehst …«
Melissa holte tief Luft und unterbrach Susanne mit energischer Stimme: »Ich habe beschlossen, Richard zu verlassen.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es ein paar Sekunden still. »Ein guter Entschluss«, stellte Susanne dann fest. »Woher kommt der plötzliche Anfall von Vernunft?«
»Ich habe gesehen, wie er in seinem Büro seine fette Sekretärin auf dem Schreibtisch gebumst hat.« Melissa klemmte sich den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr und warf ein Nachthemd in den Koffer.
»Habe ich dir nicht schon immer gesagt, dass er ein Mistkerl ist?« Obwohl sie sich offenbar Mühe gab, nicht allzu triumphierend zu klingen, war der zufriedene Unterton in Susannes Stimme nicht zu überhören. Von Anfang an hatte sie Richard nicht leiden können – eine Abneigung, die durchaus auf
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