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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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Moment traute sie sich nicht zu, mit ihm zu reden, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
    Neben den Zettel legte sie die Bankunterlagen mit dem neuen Passwort für das gemeinsame Konto zur Unterschrift. Wie üblich würde Richard das Formular durch seine Sekretärin an die Bank weiterleiten lassen.
    Als sie ihren Wagen aus der Einfahrt fuhr, war es halb acht Uhr abends. Seit sie Richard mit seiner Sekretärin bei den Turnübungen auf seinem Schreibtisch beobachtet hatte, war erst eine gute Stunde vergangen. Dennoch hatte Melissa das Gefühl, ihr ganzes Leben hätte sich innerhalb dieser kurzen Zeit auf den Kopf gestellt.
    Vielleicht war es aber auch gar nicht ihr Leben, das sich so rasch und nachhaltig verändert hatte, sondern sie selbst.

2. Kapitel
    Melissa erreichte Hamburg gegen dreiundzwanzig Uhr. Ohne es zu bemerken, war sie wesentlich schneller gefahren als gewöhnlich, denn mit jedem Kilometer, den sie zwischen sich und Richard gelegt hatte, war ihr das Atmen ein wenig leichter gefallen.
    Aber so rasch sie auch fuhr, sie konnte dem Bild nicht entkommen. Es war in ihre Netzhaut eingebrannt: Die stämmigen Beine, die sich fest um Richards Hüften klammerten; das rosa Fleisch, in das sich die Gummibänder der schwarzen Strapse einschnitten; die Hose, die Richard in den Kniekehlen hing; die harten, ruckartigen Bewegungen seiner Hüften unter dem weißen Hemd.
    Die Geräusche, die sie in den wenigen Sekunden gehört hatte, in denen sie wie erstarrt im Türrahmen gestanden hatte, klangen noch immer in ihren Ohren nach und übertönten das Summen des Motors. Das Klatschen von Haut gegen Haut. Richards lautes ungehemmtes Ächzen im Rhythmus seiner Bewegungen. Die kleinen entzückten Jauchzer, die Rita Hill von sich gegeben hatte, wenn ihr Chef sich laut stöhnend mit einem Ruck in ihr vergrub.
    Mit dem für diese Stunde erstaunlich lebhaften Verkehr glitt Melissa in ihrem Wagen durch Hamburgs Straßen, bemüht, sich auf die Ampeln und Verkehrsschilder zu konzentrieren, um so die Bilder, die Geräusche und den Geruch nach Sex und Schweiß, vermischt mit dem Duft von Richards teurem Rasierwasser und dem süßlichen Aroma einer ihr unbekannten Parfümmarke, zu verdrängen.
    Sie ließ das Seitenfenster herunter und atmete tief die kühle Nachtluft ein. Trotz der Abgase glaubte sie, den leicht brackigen Geruch der Binnenalster wahrzunehmen, an deren Ufer sie entlangfuhr.
    Das kleine Hotel, in dem sie ein Zimmer gebucht hatte, wenn auch erst für die kommende Nacht, musste in einer der Nebenstraßen liegen. Sie wusste die genaue Adresse nicht mehr und würde sich durchfragen müssen.
    Während sie nach einem ortskundig wirkenden Passanten Ausschau hielt, tauchte direkt neben ihrem Wagen ein Feenpalast auf: goldene Lichter, angeordnet in gegeneinander versetzten Reihen, funkelten und tanzten im sich kräuselnden Wasser.
    Sie hob den Blick zu dem Gebäude, das sein Spiegelbild in die Alster warf. Es war eines jener luxuriösen Hotels, in denen Richard gewöhnlich auf seinen Geschäftsreisen übernachtete.
    Ob er Rita Hill immer mitnahm? Sie hatte ihn nie danach gefragt, ob seine Sekretärin während seiner auswärtigen Termine im Büro blieb. Bewohnte er mit ihr ein Doppelzimmer? Vielleicht ließ er die Hill ja auch zu Hause, weil er es interessanter fand, sich der Abwechslung halber an Ort und Stelle nach einer Frau umzusehen.
    Spontan lenkte Melissa ihren Wagen in die breite Einfahrt und hielt vor dem hell erleuchteten Hoteleingang. Warum sollte sie noch länger durch die Stadt irren? Wenn Richard die Übernachtung seiner Sekretärin in einem Hotel dieser Kategorie bezahlen konnte, konnte er dasselbe auch für seine Ehefrau tun.
    Als sie die große, elegant eingerichtete Halle betrat, verlangsamte sie ihre Schritte. Angesichts des Marmorbodens, der teuren Teppiche und des funkelnden Leuchters unter der Decke kam sie sich in ihrem derangierten Zustand, das Kostüm zerknittert, das Make-up fast nicht mehr vorhanden, fehl am Platz vor.
    Eine übergewichtige Frau in einem viel zu weit ausgeschnittenen, viel zu engen Abendkleid aus Goldlamé, ging am Arm eines genervt wirkenden kahlköpfigen Mannes dicht an ihr vorbei und ließ dabei ein affektiertes Lachen ertönen, das fatal an das Gackern einer Henne erinnerte. Melissa sah zu, wie sich die beiden durch die Drehtür quetschten, dann warf sie den Kopf in den Nacken und ging entschlossen auf die Rezeption zu.
    Ja, sie könne ein Einzelzimmer haben, dessen Fenster nach vorn

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