Mitternachtsmorde
wusste überhaupt von ihr?
A: Man hatte den Mörder gewarnt, dass sie kommen würde – genauso wie bei Houseman und McElroy.
B: Der Mörder hatte hier einen Helfer rekrutiert. Aber warum hatte er nicht einfach dem Sheriff erzählt, dass sie keine echte FBI-Agentin war? Ihr Ausweis war in dieser Zeit wertlos. Der Sheriff hätte sie ins Gefängnis gesteckt und damit aus dem Weg geräumt.
War es möglich, dass man sie gar nicht im Gefängnis haben wollte? Offenbar reichte es nicht, dass sie aus dem Weg geräumt wurde. Sie sollte sterben.
Sie war zu müde, um noch einen klaren Gedanken zu fassen, und gähnte. Schon halb auf die Seite gedreht, blinzelte sie ein letztes Mal mit schweren Lidern. Jetzt, wo sich ihre Augen ans Dunkel angepasst hatten, konnte sie die Umrisse der beiden Fenster ausmachen und wünschte sich, sie könnte sie öffnen. Es war stickig im Zimmer, und etwas frische Luft hätte ihr gut getan. Aber ein offenes Fenster war eine Einladung zum Einbruch; in ihrer Epoche gab es nirgendwo offene Fenster. Gewohnheit und jahrelanges Training bewirkten, dass sie im Bett blieb und sich aufs Wünschen beschränkte, statt etwas zu unternehmen.
Die Luft in diesen Bergen war so frisch, und das Rauschen des Windes in den riesigen alten Bäumen klang wie ein beständiges, beschwichtigendes Flüstern. Das Gras war grün und duftete, und die Blumen boten Explosionen von Farben und Duft. Bäume und Gräser und Blumen existierten auch noch in ihrer Zeit; die Wälder hatten sich sogar erholt, seit die Bäume nicht mehr zur Papierherstellung gefällt wurden. Überall blühten neue Blumensorten in allen Farben und Duftrichtungen.
Aber das hier war anders. Das hier war … neu. Und sie war hier nicht zu Hause. Sie würde hier nie zu Hause sein.
17
Knox stand zur gleichen Zeit auf wie jeden Tag und wärmte den Kaffee vom Abend zuvor in zwei Tassen in seiner Mikrowelle auf. Aufgewärmter Kaffee schmeckte nie besonders gut, aber Knox sah nicht ein, warum er Kaffee wegschütten sollte, nur weil er ein paar Stunden gestanden hatte. Gott sei Dank trank Nikita ihren Kaffee schwarz, sodass er sich keine Gedanken zu machen brauchte, was und wie viel davon er hineingeben sollte. Weil er so früh am Morgen das einzige Tablett, das er besaß, nicht schnell genug auftreiben konnte, behalf er sich mit einem Backblech, auf das er beide Tassen stellte, um sie dann in ihr Zimmer zu tragen. Aufgewärmter Kaffee war vielleicht kein besonders bestechendes Friedensangebot, aber etwas Besseres hatte er im Moment nicht zu bieten.
Er trug absichtlich kein Hemd, nicht weil er seinen Körper zur Schau stellen wollte, sondern weil er seiner Erfahrung nach die Frauen am ehesten mit nacktem Oberkörper dazu brachte, ihn zu berühren. Wahrscheinlich waren es die Pheromone. Warum auch immer, es funktionierte, und er wollte um jeden Preis, dass sie ihn berührte. Eine Berührung würde die Kluft zwischen ihnen überbrücken und die Distanz verringern.
Er wusste, dass er ihre Privatsphäre verletzte, aber das hielt ihn nicht davon ab, nur einmal kurz anzuklopfen und dann sofort einzutreten.
Nikita schreckte aus dem Schlaf auf und saß sofort senkrecht im Bett. »Was ist passiert?«, fragte sie erschrocken und schob sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht.
Knox blieb fast das Herz stehen, und das Backblech in seiner Hand begann zu wackeln. Das fleischfarbene Ding, das sie angezogen hatte, sah haarscharf so aus, als würde es über ihrem Körper zerfließen. Es lag nicht mal eng an und war auch nicht durchsichtig, aber das brauchte es auch nicht zu sein, so genau zeichnete es jede Wölbung, jede Falte ihres Körpers nach.
Er schluckte und bemühte sich, halbwegs normal zu klingen. »Ich bringe dir heißen Kaffee. Ich dachte, du könntest was brauchen, was dich auf Touren bringt.«
»Du willst mit mir wandern gehen?« Sie sah ihn verwirrt an.
Er unterdrückte ein Grinsen. Wahrscheinlich würde es ihr gar nicht gefallen, wenn sie wüsste, wie sehr er die verbalen Ausrutscher genoss, wenn sie seine Bemerkungen allzu wörtlich nahm. »Damit meine ich, dass dein Stoffwechsel in Schwung kommt. Der Begriff kommt aus dem Autobau.« Er trat mit dem Backblech an ihr Bett, setzte es auf dem Nachttisch ab und ließ sich auf der Bettkante nieder, direkt neben ihrer Hüfte. Dann nahm er beide Tassen und reichte ihr eine.
»Oh.« Sie nahm sie ihm ab. »Danke.« Vorsichtig nippte sie an dem dampfend heißen Gebräu und verzog unwillkürlich das Gesicht. »Der
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