Mitternachtsmorde
Baumwollhose vor sich hin und versuchte festzustellen, ob sie die richtige Größe hatte. »Woher hast du gewusst, welche Größe ich brauche?«, fragte sie ihn.
»Ich habe deinen Hintern studiert«, erwiderte er. Hinter ihnen stand eine Frau, die schnaubend lachte und hastig den Rückzug antrat. Nikita schaute ihr nach.
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
»Na gut: Und welche Größe hat mein Hintern?«
»Du hast eine durchtrainierte 36 mit Tendenz zur 38. Schlank, aber nicht hager. Ehrlich gesagt hatte ich vor allem Glück – weil es keine standardisierten Uniformgrößen gibt. Du wirst die Sachen anprobieren müssen. Oder du nimmst sie mit, probierst sie an, und wir bringen morgen alles zurück, was dir nicht passt.«
»Das geht?«
»Ja, das geht.« Er grinste, weil sie ihn so ungläubig ansah.
»Na gut, dann machen wir es so. Größe 36, hast du gesagt.« Sie kehrte an die Kleiderständer zurück und suchte vier Hosen und vier Tops aus, die ihr wirklich gut gefielen. Eines hatte sogar Pailletten aufgenäht. Danach ging es weiter zur Unterwäsche, wo es, zu ihrer tiefen Enttäuschung, völlig andere Größen gab.
»Das ist doch Unfug«, beschwerte sie sich frustriert.
»Größe fünf«, sagte er, wobei er ein winziges, schwarzes Spitzenwäsche-Set hervorzog und ihr reichte.
Sie beäugte das kleine Dreieck und schüttelte dann den Kopf. »Nicht für mich.«
»Wie wär’s damit?« Er hängte die schwarze Unterwäsche zurück und zog ein rotes Dessous-Set heraus, das noch knapper aussah als das schwarze.
»Ganz gewiss nicht.« Auf der Rückseite gab es nur eine dünne Schnur, und sie wusste ganz genau, wo diese Schnur verlaufen würde.
Mit Leidensmiene hängte er das Set an den Ständer zurück.
Sie wählte ein Sechserpack aus »natürlicher Baumwolle«, warf es in den Einkaufswagen und ging dann weiter zu den Socken und Schuhen. Knox verriet ihr ihre Größe, sie wählte ein Paar Sandalen aus, die halbwegs fußfreundlich aussahen, und schließlich landeten sie vorn im Laden in der Haarpflegeabteilung. Leider kamen sie, ehe sie zu den Haargummis gelangten, an den Gängen mit Make-up und Hautpflegeprodukten vorbei, und Nikita kam erneut vom Weg ab. Sie musste einen Lippenstift aus dieser Epoche besitzen.
Sie hatte sich gerade mit einem Stift in der Hand zu Knox umgedreht und meinte: »Was hältst du von dieser Farbe?«, als hinter ihm eine Frau fragte: »Knox?«
Er drehte sich um, und auf sein Gesicht trat ein Ausdruck, den sie nicht einordnen konnte. »Ruth«, sagte er in diesem sanften Tonfall, den er so gut beherrschte. Er ließ den Einkaufswagen los und schloss die Frau in die Arme. »Du bist früh unterwegs.«
»Das könnte ich auch über dich sagen, wenn ich nicht wüsste, dass du immer früh unterwegs bist – und spät. Wann schläfst du eigentlich?«
»Manchmal überhaupt nicht.« Ohne sie aus seinem Arm zu lassen, drehte er sich zu Nikita um. »Ruth, das ist Tina. Tina, Ruth Lacey. Ruth ist Rebeccas Mutter.«
Tina? Na schön, er konnte sie kaum unter ihrem richtigen Namen vorstellen, nachdem sie angeblich die Stadt verlassen hatte. Sie reichte der Frau die Hand. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.«
Ruth schüttelte ihre Hand und studierte Nikita dabei eingehend. Die ältere Frau wirkte hübsch und adrett, hatte eine gute Figur und war dezent und geschickt geschminkt. Als Frau fiel ihr natürlich sofort auf, was in Nikitas Einkaufswagen lag. »Kennt ihr euch schon lange?«, fragte sie.
»Eine Weile«, log Knox ungerührt.
»Das freut mich für dich«, sagte sie leise. »Es ist schon lange her.« Trotzdem lag in ihrem Blick etwas Verlorenes. Sie umarmte Knox und sagte: »Ich muss jetzt weiter. Einen schönen Tag noch!«
Schnell verließ sie ihren Gang. Sobald sie außer Hörweite war, drehte sich Nikita zu Knox um und zog die Brauen hoch. »Tina?«
»Dein zweiter Vorname war mir gerade entfallen. Aber ich wusste noch, dass er mit einem T anfängt.«
»Schon okay. Dann soll es eben Tina sein. Mein zweiter Vorname wäre sowieso zu auffällig.« Sie ließ den Lippenstift auf die Anziehsachen in ihrem Einkaufswagen fallen, und sie gingen weiter zu den Haarutensilien. Dort wählte sie ein kleines Päckchen mit bunten Haargummis aus, und damit waren sie fertig.
»Sie tut mir leid«, sagte sie.
Knox brauchte nicht zu fragen, wen sie damit meinte. »Ich weiß. Ich glaube, es hat ihr schrecklich weh getan, uns beide zusammen zu sehen. Seit Rebecca starb, hat mir Ruth immer geraten,
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