Mitternachtsschatten
Fußknöchel drapiert.
„Gott sei Dank bist du in diesem Nachthemd gestorben“, sagte er plötzlich. „Wenn es etwas gibt, worin ich dich eine Ewigkeit lang sehen möchte, dann das!“
Ein Schatten huschte über Brendas wunderschönes Gesicht. „Ich mag es nicht, wenn du darüber sprichst, Liebling. Das weißt du doch.“
„Ja, ich weiß“ antwortete er zart.
„Das deprimiert mich zu sehr“, fügte sie mit einem leisen Lachen hinzu und sprang von der Anrichte hinunter. „Wir sind tot, und das ist nicht zu ändern. Über solche Dinge sollte man nicht nachgrübeln.“
„Wahrscheinlich nicht.“ Teds Stimme klang unsicher.
Sie schwieg einen Moment und betrachtete den halb nackten Mann, der vor ihr auf der Matratze lag. „Er sieht ziemlich gut aus, findest du nicht?“
Ted zuckte mit den Schultern und klopfte die Asche seiner Zigarette aus dem Fenster. „Na ja, wenn man den Typ mag. Was, glaubst du, hat er vor?“
„Wie kommst du darauf, dass er überhaupt etwas vorhat?“ hakte Brenda nach. „Du weißt doch, wie sehr ich gut aussehende Männer liebe. Deswegen bin ich ja mit dir hier!“
„Du bist mit mir hier, weil wir zusammen gestorben und aus irgendeinem Grund hier gefangen sind“, brummte er.
„Ted!“
„Tut mir Leid, Süße. Ich habe einfach schrecklich schlechte Laune. Ich weiß, dass es dich aufregt, darüber zu sprechen.“ Er beugte sich zu ihr und küsste ihre perfekte kleine Nase. „Deswegen reden wir auch nicht mehr darüber. Es spielt keine Rolle, warum wir hier sind. Eines Tages werden wir es schon herausfinden. Und bis es soweit ist, werde ich die Zeit mir dir genießen. Nur du und ich, wir beide zusammen, und niemand stört uns. So hätte es immer sein sollen!“
„Du und ich“, wiederholte sie.
„Für immer. So, wie ich es versprochen habe, Liebes.“
„Für immer“, sagte sie mit schwacher Stimme. Und dann lächelte sie plötzlich breit. „Ich glaube, Rachel-Ann ist endlich nach Hause gekommen. Sollen wir nachsehen, was sie macht? Wenn sie jemanden mitgebracht hat, können wir ihn erschrecken.“
„Na also, so kenne ich dich!“ rief Ted zärtlich. „Komm, lass uns ein bisschen Krach schlagen.“
8. KAPITEL
R achel-Ann hielt den Atem an, als sie in die große Eingangshalle trat. Man wusste nie, ob die Geister nicht auf einen warteten. Sie warnten einen ja nicht vor. Irgendwo hatte sie gelesen, dass es sofort kalt wurde, wenn Geister anwesend waren. Vielleicht war es ja deshalb im La Casa immer so kühl, obwohl es keine Klimaanlage gab.
Sie schloss die Tür und schaute sich misstrauisch um. Alles war so viel leichter, wenn man betrunken war. Dann sah sie keine Gespenster, und wenn doch, dann hatte sie keine Angst vor ihnen. Aber sie war völlig nüchtern und nicht gerade glücklich darüber. Sie hatte ihren Nüchternheits-Rekord bereits gebrochen, die letzten Tage war es ihr nicht gut gegangen, sie fühlte sich verärgert und wusste nicht einmal, warum. Sie hatte vorgehabt, diesen gut aussehenden Mann, der aus irgendeinem Grund jetzt hier wohnte, zu verführen. Nachdem sie Drogen und Alkohol aufgegeben hatte, konnte sie doch nicht auch noch auf Sex verzichten. Davon abgesehen, dass Coltrane tatsächlich so attraktiv war, wie Dean behauptet hatte.
Sie hatte keine Ahnung, warum, aber nach nur einem Blick in seine kalten grünen Augen fühlte sie sich merkwürdig abgestoßen. Das war seltsam, gab es doch ziemlich wenig, was sie üblicherweise abstieß, und wenn er nur halb so unmoralisch war, wie Dean glaubte, dann wäre er nicht schlimmer als die meisten Männer, mit denen sie sich eingelassen hatte. Wenigstens sah er nicht aus wie ein Mann, der Frauen schlug. Aber ganz egal, wie vernünftig sie darüber nachdachte, sie fühlte sich in seiner Gegenwart einfach nicht wohl.
Deswegen war sie heute und letzte Nacht ausgegangen, in der Hoffnung, etwas zu finden, das sie ablenkte. Irgendeinen jungen und starken und gesunden Mann, der so oft mit ihr schlief, bis sie dem Wahnsinn nahe war, und dann einfach verschwand. Keine Verpflichtungen. Keine Namen. Am nächsten Morgen bliebe nur ein Lächeln und eine Erinnerung zurück.
Sie hatte in den Kit-Kat-Klub gehen wollen, kam aber nie dort an. Stattdessen war sie in der Kirche gelandet, in der gerade ein Treffen der Anonymen Alkoholiker stattfand. Sie hatte den ganzen Abend dort verbracht, benommen, ruhig, sie hatte den Worten gelauscht, die über sie hinwegspülten und sie so wütend machten …
Sie wollte nicht hier
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