Mitternachtsschatten
gehen, dann würde er sehr weit weggehen und mit Sicherheit keine Bettwäsche mitnehmen.
„Komm, Roofus“, rief sie und schnippte mit den Fingern. Der Hund schaute ihn schmerzvoll an, drehte Jilly sein Hinterteil zu und war sichtlich hin und her gerissen.
„Es fällt ihm schwer, zwischen uns zu entscheiden“, murmelte Coltrane, unterließ es aber, ihr die offensichtliche Lösung zu nennen.
„Verräter“, sagte sie böse. „Roofus!“
Schließlich gewann sie doch. Wer konnte es dem Tier verdenken? Sie hätte auch nur mit den Fingern schnipsen müssen, damit er hinter ihr hertrottete, natürlich nur wenn das hieße, dass sie auch mit ihm schlafen würde. Er hatte schon erwartet, dass sie die Tür hinter sich zuknallen würde, aber sie schloss sie ganz leise und ohne sie zu verriegeln. Vielleicht funktionierte das Schloss ja gar nicht. Oder sie war sich einfach nicht sicher, dass sie ihn wirklich draußen stehen lassen wollte.
Sein Zimmer kam ihm jetzt noch düsterer vor. Jilly hatte Recht gehabt. Es bereitete ihm größte Schwierigkeiten, eines der morschen Bettlaken um die dünne Matratze zu wickeln. Die meisten waren so zerschlissen, dass sie einfach zwischen seinen Fingern zerrissen. Als er es endlich geschafft hatte, die Matratze zu bedecken, hatte er sich bereits bis auf die Unterhose ausgezogen, also streckte er sich einfach darauf aus. Er hatte zwar kein Kopfkissen, aber er hatte auch schon in weitaus unbequemeren Betten geschlafen. Außerdem mochte er die verblichene Herrlichkeit des Hauses der Schatten. La Casa de las Sombras!
Er legte sich auf den Rücken und schob die Hände unter seinen Kopf. Es lag ein schwacher, angenehmer Duft in der Luft, der sogar die Muffigkeit übertönte. Die warme Brise, die durch die Balkontür kam, hatte ihn vielleicht hereingetragen, andererseits war er ihm auch schon zuvor aufgefallen. Heutzutage rauchten so wenige Menschen, dass der Duft von Tabak etwas ganz Ungewöhnliches geworden war. Niemand in dieser Familie rauchte, zumindest nicht offen, und es war auch nicht der kalte Rauch, der in Kleidern hing. Er war frisch, eigentlich ganz angenehm. Auf jeden Fall roch der Tabak anders als der, der heutzutage geraucht wurde. Es war kein Zigarrenrauch und hatte auch nichts von dem beißenden Geruch von Marihuana. Es handelte sich um etwas sehr Altes, das noch aus den großen Tagen der Dreißiger und Vierziger nachklang, als jedermann rauchte. Trotzdem: Der Rauch roch so frisch, als sei jemand hier im Zimmer.
„Geister“, murmelte er, nur um seine eigene Stimme zu hören. Er lauschte, als erwarte er eine Antwort irgendwo aus der Dunkelheit. Er glaubte nicht an Geister, aber nichts war unmöglich.
„Nun“, sagte er in die Dunkelheit. „Wenn ihr hier noch immer rumspukt, dann macht ihr nicht gerade einen guten Job. Warum dreht ihr nicht mal ein bisschen auf?“
Keine Antwort, natürlich. Er grinste. „Ich bin ja geneigt, an euch zu glauben, aber dann müsst ihr schon ein wenig mehr als Zigarettenrauch zu bieten haben. Ich wäre gerade in der Stimmung, wenn ihr mir also einen Gefallen tun wollt, dann zeigt euch doch einfach mal.“
Nichts. Natürlich. Er drehte sich auf den Bauch und presste das Gesicht an die Matratze. Er hätte sich jetzt über jede Art von Ablenkung gefreut, um nicht länger an Jacksons so unterschiedliche Töchter denken zu müssen. Jilly groß und üppig und widerspenstig und begehrenswert mit ihren vorsichtigen braunen Augen und ihren üppigen Lippen.
Und dann Rachel-Ann. Die ihn mit den grünen Augen seiner Mutter ansah, mit dem Gesicht seiner Mutter. Rachel-Ann, seine Schwester, von der er nichts gewusst hatte. Das Leben hatte ihn aus der Kurve geschleudert. Er hatte eine Schwester! Ihr würde sicherlich nicht gefallen, was er mit ihrem Vater vorhatte.
„Du ungezogener Junge“, sagte Brenda, nahm die filterlose französische Zigarette aus Teds Mund und einen langen, eleganten Zug. „Du sollst den armen Mann nicht ärgern.“
Er schnaubte vor Vergnügen. „Er ist kein armer Mann, Schätzchen. Er hat etwas vor. Es gefällt mir nicht, dass er in unserem Haus ist und unsere Mädchen ärgert.“
„Das sind nicht unsere Mädchen, Ted“, sagte Brenda ruhig.
„Nein, du hast Recht.“ Er nahm ihr wieder die Zigarette ab, inhalierte und pustete den Rauch direkt in die Richtung von Coltranes hingestrecktem Körper. Brenda hatte sich auf der Anrichte im Seemoos-Zimmer niedergelassen, das Negligee verführerisch um ihre schmalen
Weitere Kostenlose Bücher