Mitternachtsschatten
nichts mit ihm an, Rachel-Ann.“ Jillys Stimme klingt anders, wenn ich nicht in der Nähe bin, dachte er und lehnte seine Stirn gegen das kühle Glas. Zarter. Verletzlicher. „Du weißt, dass er das Schlimmste wäre, was dir jetzt passieren könnte.“
„Hat mich das jemals abgehalten?“ Rachel-Anns Selbstverachtung war erschreckend. „Ich hatte plötzlich eine furchtbare Idee. Bitte sag mir, dass du dich ihm nicht an die Brust wirfst, um mich vor irgendetwas zu bewahren! Das will ich nicht. Du weißt, dass ich ihn mir nehme, wenn ich will, und dann wäre dein Opfer ganz umsonst gewesen.“
„So edelmütig bin ich nun auch wieder nicht“, gab Jilly müde zu.
„Nicht?“ überlegte Rachel-Ann. „Dann liegt es vielleicht einfach daran, dass er sehr gut aussieht. Du hast also beschlossen, zur Abwechslung mal etwas Spaß mit einem bösen Jungen zu haben? Nicht dass ich dir das vorwerfe, aber ich glaube nicht, dass es gut für dich ist. Jemand wie Coltrane frisst dich mich Haut und Haaren auf.“
Genau das habe ich vor, dachte Coltrane. Er wollte mit ihren Zehen anfangen und sich langsam hocharbeiten, Zentimeter für Zentimeter …
„Rachel-Ann, übertreib mal nicht. Wir haben uns nur unterhalten. Er ist nicht wirklich an mir interessiert.“
„Nicht wirklich? Du meinst, er tut nur so? Das wird ja immer schlimmer. Du hast da etwas verwechselt, kleine Schwester. Ich bin diejenige, die solche selbstzerstörerischen Beziehungen führt, mit den falschen Männern schläft und immer wieder alles in Unordnung bringt. Aber du doch nicht.“
„Ach so. Und wie würdest du meine Ehe mit Alan beschreiben?“
„Das war ein Fehler“, sagte Rachel-Ann ruhig. „Und du bist zu klug, den gleichen Fehler noch einmal zu begehen.“
Plötzlich war es still, und er presste sich noch näher an die Scheibe, um besser hören zu können.
„Wäre es der gleiche Fehler?“ fragte Jilly mit ganz leiser Stimme.
„Vielleicht nicht der gleiche. Sondern ein viel schlimmerer. Alan ist ein Dummkopf und nicht mal ein besonders guter Liebhaber, wie ich ja weiß. Coltrane hingegen kommt mir so vor, als wisse er, was Frauen mögen. Er könnte dein Herz brechen.“
„Nicht sehr wahrscheinlich“, antwortete Jilly.
„Doch, sehr wahrscheinlich“, korrigierte Rachel-Ann. „Halte dich von ihm fern, Jilly. Das werde ich auch tun, wenn du das willst. Lass ihn doch Dean übrig.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er was von Dean will.“
„Dann soll er einen anderen Weg finden, um das zu bekommen, worauf er wirklich aus ist. Ich habe nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass er etwas im Schilde führt. Lass nicht zu, dass er dich ausnutzt. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Das fühlt sich ziemlich übel an, und ich will nicht, dass es dir genauso ergeht. Versprich es mir.“
„Was soll ich dir versprechen?“
Er hörte, wie Rachel-Ann tief Atem holte. „Okay, du musst mir nicht versprechen, nicht mit ihm zu schlafen. Ich kenne die menschliche Natur, und ich kenne dich besser als du dich selbst. Wenn ich das von dir verlangen würde, würdest du ihn nur noch unwiderstehlicher finden. Also, geh mit ihm ins Bett, wenn du willst. Soweit ich weiß, gab es in deinem Leben nach Alan keinen anderen Mann, und wie gesagt, aus Erfahrung weiß ich, dass er nicht gerade toll im Bett war.“
„Danke, dass du diese Erfahrung mit mir geteilt hast“, sagte Jilly trocken.
„Oh, nein, ich habe dir zu danken!“ Rachel-Ann lachte ein wenig grob. „Mein Gott, darüber sollte ich wirklich keine Witze machen. Habe ich dir jemals gesagt, wie Leid es mir tut?“
„Wir brauchen nicht mehr darüber zu sprechen, Liebes. Es ist vorbei.“
„Ich will nicht, dass dir jemand das Herz bricht.“
„Alan hat mein Herz nicht gebrochen.“
„Aber Coltrane könnte das tun. Wenn du ihn lässt.“
Coltrane schloss leise die Tür und entfernte sich. Er wusste selbst nicht, warum, aber er wollte nichts mehr hören. Er hatte genug herausgefunden. Jilly war also genauso verletzlich, wie er vermutet hatte. Wenn er so ein großer Schweinehund war, wie er von sich selbst dachte, dann konnte er Rachel-Ann manipulieren, ohne mit ihr schlafen zu müssen. Aber plötzlich war er sich selbst nicht mehr sicher, ob er wirklich so ein Dreckskerl war. Würde er seiner eigenen Schwester tatsächlich so viel Schmerz zufügen wollen, jemandem, der schon genug Dämonen zu bekämpfen hatte, auch wenn ihn nicht mehr mit ihr verband als zufällige
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