Mitternachtsschatten
eigentlich gar nicht müsste. Aber ich bin einfach ein großzügiger Mensch, wenn es um meine Kinder geht.“ Er blinzelte nicht einmal.
„Warum hat Ihre Mutter denn den Enkeln und nicht Ihnen das Haus überlassen?“ fragte Coltrane, um die ungewöhnliche Gesprächigkeit seines Chefs auszunutzen.
„Sie wissen doch, wie Mütter so sind“, gab Meyer mit einem harten Lachen zur Antwort. „Sie war ein Miststück wie alle anderen auch. Wir haben uns nie gut verstanden. Sie hielt mich für einen verantwortungslosen Hundesohn. Was ich natürlich auch war.“
Coltrane reagierte nicht, er fragte sich nur, was wohl passierte, wenn er Meyer gegen das dicke Glasfenster schleudern würde. Wahrscheinlich würde er eher abprallen als durchzufallen. Nur Geduld, redete er sich selbst zu, während er dem Mann zuhörte, der ihm die Mutter genommen hatte.
„Haben Sie denn jemals in dem Haus gewohnt?“
„Im La Casa? Aber nein, um Gottes willen! Dieses Gebäude ist eine Ruine, seit es sich in unserem Besitz befindet. Meine Mutter kaufte es, während ich auf dem College war. Als ich zurückkam, war ich verlobt und kaufte mir ein eigenes Haus.“
Coltrane schwieg und ließ Meyer weiterlügen. „Ich habe keinen Sinn für veraltete Schönheit. Jilly steht ja drauf, aus für mich unerfindlichen Gründen. Ich kann das nicht verstehen. Ihre Mutter hasste es, ich hasste es, und es war immer nur eine große Last für uns. Wenn Dean etwas zu sagen hätte, dann würde er mir diesen verdammten Kasten überlassen. Und Rachel-Ann auch.“ Jetzt wurde seine Stimme weicher. „Rachel-Ann würde alles tun, worum ich sie bitte. Aber Jilly doch nicht! Lieber sähe sie mich in der Hölle schmoren, als mir das Haus zu überlassen.“ Er setzte sich aufrecht hin und schwang in dem Drehstuhl herum, um auf die Stadt zu starren. „Was halten Sie von ihr?“
Coltrane bewegte sich nicht. An dem zärtlichen Tonfall hatte er erkannt, dass Meyer nicht von Jilly sprach, aber er missverstand ihn absichtlich. „Sie ist eine wahre Amazone. Haben Sie inzwischen entschieden, ob ich lieber mit ihr schlafen oder sie doch eher umbringen lassen soll?“
„Ich spreche von Rachel-Ann.“ Meyers Stimme war eisig.
„Ach so, aber ich dachte, dass ich mit ihr nicht schlafen soll.“
„Seien Sie kein Idiot, Coltrane. Also nochmal, was halten Sie von meiner Tochter? Sie ist wunderschön, nicht wahr? Süß und zerbrechlich und hilflos.“ Meyer klang völlig gefühllos, aber Coltrane ließ sich nicht an der Nase herumführen. Er hatte von Anfang an gewusst, dass Meyer an seiner Tochter hing, er war nur nicht sicher, wie tief diese Verbundenheit ging. Oder wie gesund sie war, für beide.
„Wunderschön“, sagte er rasch. „Sie sieht Ihnen überhaupt nicht ähnlich.“
„Ich habe sie adoptiert“, antwortete Meyer steif. „Das wissen Sie doch.“
„Das hatte ich vergessen. Aber was das angeht, Jilly sieht Ihnen auch nicht gerade ähnlich. Dean allerdings schon. Sind Sie sicher, dass Jillys Mutter sie nicht vielleicht betrogen hat?“
„Nichts könnte mir gleichgültiger sein. Ich bin kein sehr väterlicher Typ. Im Grunde sind mir meine Kinder völlig egal.“
„Bis auf Rachel-Ann.“
„Ja. Bis auf Rachel-Ann. Und? Wollen Sie mich dafür verurteilen, Coltrane?“
„Überhaupt nicht. Das alles geht mich nichts an,“ murmelte er. „Also, was kann ich für Sie tun?“
„Halten Sie Dean weiterhin beschäftigt. Sie sagten, Sie würden ihm das Wentworth-Projekt überlassen. Hervorragend. Er wird damit so ausgefüllt sein, dass er keine Zeit hat, herumzuschnüffeln. Und was Sie angeht: Halten Sie mir Jilly vom Leibe. Sie ist viel neugieriger, als ihr gut tut.“
„Aber was sollte sie denn neugierig machen?“
Meyer runzelte die Stirn. „Sie müssen ja nicht alles wissen, Coltrane, nur so viel, damit sie mich beschützen können. Tun Sie einfach nur, was ich Ihnen sage. Geben Sie Jilly etwas zu tun. Sie wissen, dass sie hier eine Menge Schaden anrichten könnte. Aber zum Glück hat sie ja viel um die Ohren.“
„Zum Beispiel?“
„Das blöde Haus zum Beispiel. Und ihre Geschwister. Sie glaubt, sie müsse sie vor mir beschützen.“
„Muss sie das?“
Meyer zuckte mit den Achseln. „Dean ist harmlos. Solange er mir nicht im Weg steht, ist er mir egal. Und ich würde es niemals zulassen, dass Rachel-Ann etwas geschieht. Das ist übrigens eine Warnung, Coltrane. Wenn Sie es wagen, ihr zu nahe zu treten, bekommen Sie es mit mir zu
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