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Mitternachtsschatten

Mitternachtsschatten

Titel: Mitternachtsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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fünf Tage, seit sie zum letzten Mal getrunken hatte. Jeden verdammten Tag ein Meeting. Neunzig und neunzig lautete eine weitere der endlos vielen Regeln. Neunzig Meetings in neunzig Tagen.
    Sie konnte aber auch einfach losfahren. Sie brauchte sich genauso wenig zu betrinken, wie sie zu diesem Treffen gehen musste. Das Leben bestand schließlich nicht nur aus Extremen. Wenn sie ein wenig am Meer entlangfahren würde, konnte sie den Mondschein auf dem Wasser ansehen. Und später, im La Casa, würde sie die verdammten Geister, die sie ansahen, einfach ignorieren.
    Oder vielleicht …
    Aus den Augenwinkeln sah sie ein Gesicht. Sie schrie panisch, dann erst drehte sie sich um und erkannte ihn. Sie wollte das Fenster herunterlassen, aber sie hatte ja den Motor abgestellt; der elektrische Fensterheber funktionierte nicht. Mit zitternden Händen startete sie ihr Auto wieder, und die Scheibe glitt ruhig hinunter.
    „Kommst du zum Meeting?“ fragte Rico. Es war das erste Mal, dass er sie direkt ansprach, und plötzlich, als sie ihn ansah, hatte sie das merkwürdige Gefühl eines Déja-vu. Sie fühlte sich ein wenig benommen.
    „Ich weiß noch nicht“, gab sie ehrlich zu und ärgerte sich sofort darüber. Wenn man einem ehemaligen Alkoholiker den kleinen Finger reichte, wollte er gleich die ganze Hand. Er würde jetzt so lange auf sie einreden, bis sie nicht anders konnte, als mitzugehen und wieder endlos lange dem Gerede beim Meeting zuzuhören.
    „Möchtest du denn gehen?“
    „Nein. Ich will mich lieber betrinken.“
    „Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?“
    Das war eine einfache Frage, und sie wusste genau, was sie hätte antworten sollen. Dass er das verhindern sollte, natürlich. Aber sie war es leid, immer die erwarteten Antworten zu geben. Ihr ging das alles auf die Nerven.
    „Willst du die Wahrheit hören?“
    „Ja.“
    „Ich möchte, dass du mit mir kommst.“
    Er richtete sich auf, und sie konnte sein Gesicht nicht mehr sehen, nur noch seine zerknitterten Kleider. Er lief vom Fenster weg. Sie atmete erleichtert aus. Doch dann sah sie ihn auf der anderen Seite des Autos wieder auftauchen. Er stieg neben ihr ein und schnallte sich an. „Wohin fahren wir?“ Er schien nur ein wenig neugierig.
    „Spielt das eine Rolle?“ Ihre Hände zitterten noch immer, sie drehte den Schlüssel um und merkte, dass der Motor bereits an war.
    „Nein“, sagte er. „Schnall dich bitte an.“
    „Warum? Nur weil das gesetzlich vorgeschrieben ist?“
    „Nein“, antwortete er. „Ich möchte nur, dass dir nichts passiert.“
    Sie sah ihn zweifelnd an. Es war bereits dunkel, und sie konnte ihn kaum erkennen. „Du wirst mir jetzt nicht erzählen, dass du dich ganz plötzlich in mich verliebt hast, oder?“
    Sein Lachen war angenehm und unerwartet charmant. „Nein.“
    „Gut, dann darfst du sitzen bleiben.“
    „Ich dachte, dass du genau das wolltest?“
    „Ich habe nicht die geringste Vorstellung, was ich will.“
    „Ja“, sagte er freundlich. „Ich weiß.“
    Sie fuhr in die Nacht, und weil ihr nichts Besseres einfiel, fuhr sie zum Kit-Kat-Klub, dem dekadentesten Lokal, das sie kannte. Er folgte ihr hinein und sah zu, wie sie eine Margarita bestellte. Und dann saß sie da und starrte auf ihr Glas, ohne es anzufassen.
    „Willst du mich nicht aufhalten?“ fragte sie. „Mir eine Predigt halten?“
    „Wenn du möchtest.“
    „Vielleicht will ich ja, dass du mit mir trinkst.“
    Er schüttelte den Kopf. „Nun, das werde ich sicherlich nicht tun. Willst du trinken, Rachel-Ann? Oder willst du lieber gehen?“
    Es war seltsam, wie er ihren Namen aussprach. Es erinnerte sie an etwas. Sie nahm das Glas in die Hand und sah ihn aufsässig an. Seine Augen kamen ihr ebenfalls bekannt vor, genauso wie das Gesicht, das müde, abgekämpft und sehr anziehend war. Er sah aus wie ein Mann. Normalerweise gab sie sich nicht mit Männern ab. Nur mit gut aussehenden Jungs.
    „Wer bist du?“ fragte sie und umklammerte noch immer das salzverkrustete Glas. „Ich kenne dich, nicht wahr?“
    „Tatsächlich?“
    „Hör auf, meine Fragen mit Fragen zu beantworten, als wärst du irgendein gottverdammter Psychiater. Ich habe dich bestimmt schon mal getroffen, in der Zeit, in der ich getrunken habe“, sagte sie. „Oder als ich Drogen nahm. Warst du auch drogenabhängig?“
    „Ja.“
    „Aber jetzt bist du völlig sauber“, zog sie ihn auf. „Wahrscheinlich haben wir damals miteinander geschlafen, und ich habe es völlig

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