Mitternachtsschatten
furchtbare Lärm war verschwunden. Es war zwar nicht gerade bequem, aber wenn sie sich auf das Gewicht seines Körpers konzentrierte, anstatt auf die Scherben unter ihr, dann fühlte sie sich fast glücklich. Er bewegte sich, erhob sich leicht und fluchte leise, als er aufstand. „Bleiben Sie so“, sagte er. „Ich muss erst Licht besorgen.“
„Ich habe nicht vor, mich zu bewegen“, sagte sie müde. Ohne ihn war es nicht mehr so angenehm, auch wenn sie jetzt besser atmen konnte. Und es war ein sehr unangenehmes Gefühl, als er sie jetzt alleine in der Dunkelheit zurückließ. Langsam holte die hässliche Realität sie ein. Ihr Rücken schmerzte, und sie glaubte, die warme Feuchtigkeit von Blut unter sich zu spüren. Rachel-Ann war verschwunden, die Hölle war losgebrochen, und sie lag auf einem Bett von zersplittertem Glas … Sie wollte sich gerade langsam aufrichten, als Coltrane zurückkam.
„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen sich nicht bewegen“, sagte er mit harter Stimme.
Kurz darauf war die Szene schwach beleuchtet – von derselben blöden Tischlampe, die in der vergangenen Nacht ihre kleine Szene erhellt hatte. Doch egal, wie peinlich das alles in der Rückschau war, Jilly hätte es diesem absurden Abend auf jeden Fall vorgezogen.
„Ich werde Sie jetzt hochziehen“, sagte er und beugte sich über sie wie ein riesiger schwarzer Schatten. „Bewegen Sie sich nicht, rutschen Sie nicht hin und her, lassen Sie sich einfach hochziehen.“
„Und wenn mein Rückgrat verletzt ist?“ Endlich war ein wenig ihrer alten Schroffheit zurückgekehrt.
„Dann werden Sie bis ans Ende Ihres Lebens querschnittsgelähmt sein und mich nicht mehr ärgern können“, sagte er. Er beugte sich zu ihr hinab und ergriff ihre Hände. „Eins, zwei, drei.“
Schon stand sie aufrecht, die Kraft seiner Arme ließ sie gegen ihn taumeln, und sie fielen auf das Sofa. Diesmal landete sie auf ihm.
„Wir sollten aufhören, uns auf diese Art und Weise zu treffen“, murrte Coltrane.
Dieses Mal zögerte sie nicht, sie legte die Hände auf seine Brust und richtete sich auf, weg von ihm, und schrie auf, als ihr der Schmerz in den Rücken fuhr.
„So was Dummes“, sagte Coltrane. „Schauen Sie sich Ihren Rücken an.“
„Das ist rein anatomisch gesehen unmöglich, im Gegensatz zu dem, was ich Ihnen gerade vorschlagen wollte.“
Einen Moment lang schwieg er verdutzt. Dann brach er in schallendes Gelächter aus, erleichtert. „Sie sind erstaunlich, Jilly Meyer“, sagte er dann. „Ich bringe Sie jetzt in die Notaufnahme, damit sich ein Arzt Ihren Rücken ansieht. Wir können uns über anatomische Unmöglichkeiten auf dem Weg dahin unterhalten.“
„Mir geht es gut. Ich brauche mit Ihnen nirgends hinzugehen.“
„Ich will nicht mit Ihnen streiten“, brummte er und nahm ihre Hand. „Dazu bin ich nicht in der richtigen Stimmung.“
Als sie in die Halle gingen, konnte sie sehen, dass er ein Tuch um seine linke Hand gebunden hatte. Es war blutgetränkt, genauso wie sein Hemd. „Sie sind verletzt“, sagte sie, blieb stehen und versuchte die Schmerzen im Rücken zu ignorieren.
„Wir sind beide verletzt, meine Süße. Dean und Ihr Vater sind auf Geisterjagd, Rachel-Ann ist verschwunden, und so müssen wir es alleine in die Notaufnahme schaffen. Also hören Sie auf, mit mir zu diskutieren, und kommen Sie mit. Und versuchen Sie, nicht ohnmächtig zu werden. Ich könnte Sie tragen, aber dazu habe ich keine Lust, wenn das Ziel nichts Unterhaltsameres als ein Krankenhaus ist.“
„Nein, das könnten Sie nicht.“
„Was könnte ich nicht?“
„Mich tragen. Ich bin sogar barfuß fast einsachtzig groß … ach du Schande.“ Sie blickte nach unten. Sie hatte blutige Fußspuren hinterlassen.
Er seufzte. „Wo sind Ihre verdammten Schuhe?“
„Keine Ahnung. Wo ist mein verdammter Hund?“ Plötzlich wollte sie nur noch weinen.
„Ich habe ihn rausgelassen. Ich dachte, Sie könnten es nicht brauchen, dass er Ihnen das Gesicht ableckt, während Sie mit Schmerzen auf den Glassplittern liegen.“
„Ich mag es, wenn er mein Gesicht ableckt.“
„Sie müssen jetzt mit mir vorlieb nehmen. Können Sie laufen?“
„Natürlich kann ich laufen“, sagte sie stolz. Es würde ihr sogar gelingen, nicht zu humpeln.
„Du liebe Güte“, murrte er. Dann warf er sie sich über die Schulter und lief mit ihr in die Abendluft.
18. KAPITEL
C oltranes Laune wurde auch nicht gerade besser, als er feststellen musste, dass sein
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