Mittsommersehnsucht
Lofoten mit hierhergenommen – und gegen Zahlung von fünfhundert Euro keine Fragen gestellt. Die Rorbuer am linken Ufer des Fjords war halb verfallen, doch sie bot erst einmal Unterschlupf. Als er sich in der Hütte umsah, bemerkte er ein paar alte, löcherige Decken auf der niedrigen Schlafstelle, ein wackeliger Tisch und zwei Campingstühle waren ansonsten die einzige Einrichtung.
Bequem konnte man das Versteck nicht nennen, aber er durfte relativ sicher sein, hier nicht entdeckt zu werden. Ein paar Stunden schlief er auf den zerlumpten Decken, dann weckte ihn der Hunger.
In seiner Tasche waren noch zwei Sandwiches und eine Dose Bier. Der Käse auf den Broten bog sich bereits, aber was blieb ihm übrig, als sie mit Widerwillen zu essen. Es gab weit und breit keine Möglichkeit für ihn, etwas zu kaufen.
Nachdem er das Bier ausgetrunken hatte, schlief er nochmals für eine Stunde ein. Das Bellen einiger Hunde weckte ihn. Hoffentlich rochen ihn die Tiere nicht. Er stand auf und spähte durch einen Spalt der Fensterläden, die nach wie vor geschlossen waren. Von den Hunden war nichts zu sehen.
Er ließ sich aufs Bett zurückfallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Holzdecke, von der eine alte Gaslampe baumelte. Verdammt, er steckte wahrhaftig tief in der Scheiße. Da besaß er ein Vermögen, schleppte es sogar mit sich herum – und hatte Hunger und Durst wie selten zuvor. Er musste irgendwann unter Leute, musste sich Vorräte kaufen.
Tom war klar, dass er nicht lange in Alta bleiben konnte. Ein Fremder fiel in dieser nur karg besiedelten Landschaft auf. Als es dämmerte, ging er in den kleinen Ort, der wie ausgestorben wirkte. Nur im Supermarkt, der die Größe eines normalen Wohnzimmers hatte, standen drei Frauen und tratschten. Sie nahmen zunächst keine Notiz von ihm, erst als er drei Dosen Bier fallen ließ, sahen sie auf. Er zuckte mit den Schultern und fragte nach Zigaretten.
Die jüngste der Frauen, etwa dreißig Jahre alt und im Gegensatz zu den beiden anderen Samin, sah ihn stirnrunzelnd an, ehe sie wortlos in eine Schublade griff, die Zigaretten herausholte und ebenso schweigsam kassierte.
Mit gesenktem Kopf verließ Tom das Geschäft und lief zurück in sein Versteck. Ein paar Pritschenwagen mit Baumaterial auf der Ladefläche fuhren an ihm vorbei, ein Jeep und ein altersschwacher Ford. Außer einem alten Mann, der einen Handkarren hinter sich herzog, begegnete ihm niemand. Querfeldein rannte Tom zurück zur Rorbuer. Mit einem Schlag wurde es dunkel. Hintereinander trank er zwei Dosen Bier, dann legte er sich aufs Bett und überlegte, wie es weitergehen konnte.
Ihm war es gelungen, ein paar Päckchen mit Kokain und der von Nik neu kreierten Designerdroge zu retten. Alle Taschen seiner Wetterjacke hatte er damit vollgestopft. Jetzt befanden sich die wertvollen Päckchen in einem alten Seesack, den er in der Rorbuer gefunden hatte. Die Segeltuchtasche war zerschlissen, er musste drei Knoten in die Kordel machen, damit er den Sack tragen konnte. Aber er hoffte, dass niemand in dem alten Juteteil etwas Wertvolles vermutete.
Hin und her überlegte er, ob es nicht ratsam sei, die Drogen hier in der Hütte zu verstecken. Es gab ein paar Plastikplanen, darin könnte er die kleinen Tütchen mit dem wertvollen Inhalt vergraben. Unter dem Bett vielleicht …
Aber nein, das war zu riskant. Wenn jemand durch Zufall herkam … oder wenn er selbst durch widrige Umstände daran gehindert wurde, nochmals in den hohen Norden zu fahren, dann war alles verloren. Und so packte er die kleinen Tüten um, stopfte noch ein bisschen Wäsche und drei dünne Angelschnüre, die er fand, zur Tarnung obendrauf.
Am dritten Tag, im Ort war es noch still, schlich er zum Hafen. Ein Fischkutter lag hier, dann noch drei kleine Motorboote. Doch am Ende der Mole, festgetäut und mit einer hellen Plane abgedeckt, lag eine Yacht im Hafen. Wie eine exotische Schönheit wirkte das blau-weiß lackierte Schiff hier in dem gottverlassenen Hafeneckchen.
Es war nicht schwer, die Yacht kurzzuschließen. Es schien Tom wie ein Wunder, dass der Motor gleich ansprang und er ungehindert aus dem Fjord hinausfahren konnte.
Jetzt lag der Seesack unter Deck, versteckt hinter Dosen mit Ravioli und Suppe in einem Kajütenschrank.
Das schnittige Boot war halb vollgetankt, wie er feststellen konnte, und es flottzumachen war kein Problem gewesen. Das Problem stellte er wenig später erst fest – auf hoher See, als er ohne
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