Mittsommersehnsucht
Boden, es klirrte und schepperte.
Im ersten Impuls wollte er ihr folgen, ließ es dann aber doch bleiben. Was half es, wenn er ihrem Treiben Einhalt gebot? Sie war ebenso temperamentvoll wie zügellos. In gewisser Weise hatte er das einmal an ihr gemocht, das war lange her. Inzwischen wusste er, dass ihr überschäumendes Temperament keine Lebenslust war, sondern Trotz und übersteigerter Egoismus. Lilian musste immer und überall im Mittelpunkt stehen und ihren Kopf durchsetzen. Soll sie, dachte er resignierend, solange sie nichts im Labor zerstört, ist es nicht wichtig.
Das Schiff hatte noch nicht ganz im Hafen festgemacht, die schmale Gangway war soeben heruntergelassen worden, als Lilian schon davonstürmte. Sie hatte sich einen kleinen Rucksack lässig über die rechte Schulter geworfen und sah sich nicht mehr um. Das leuchtende Pink ihrer Jacke war noch weithin zu sehen.
Magnus schaute ihr kopfschüttelnd nach. Wohin wollte sie jetzt? Von hier kam man nicht so einfach fort, das sollte sogar Lilian wissen.
James und er gingen von Bord und tranken erst einmal in einem kleinen Lokal ein frisches Bier, bevor sich der Engländer auf zum großen Nationalpark machte.
Magnus blieb noch, er versuchte zum wiederholten Mal, Andrea anzurufen, doch sie meldete sich nicht auf ihrem Handy, auch seine SMS erreichten sie nicht. Bevor er es im Doktorhaus versuchen wollte, wo jetzt sicher Sprechstunde war und er eventuell störte, bestellte er sich etwas zu essen und kaufte im nahe gelegenen Supermarkt ein paar Dinge für die Kombüse der Black Nessy ein. Der Kaffee ging zur Neige, ebenso Wurst und Käse. Auch drei Dosen mit Fertigsuppen wanderten in seinen Einkaufskorb. Viel Zeit zum Kochen nahmen sich die Forscher nicht, und eine heiße Suppe kam bei schlechter Witterung immer gut an. Er wollte gerade die Rechnung bezahlen, als das Dröhnen eines Hubschraubers zu hören war.
»Da muss was passiert sein«, sagte der bärtige Mann an der Kasse und sah durch die hohen Fenster nach draußen.
Magnus nahm das Wechselgeld, dann verließ er den Supermarkt und sah gerade noch einen weiß lackierten Hubschrauber mit dem Schriftzug Blomquist - Group , bevor die Maschine hinter einigen hohen Fabrikgebäuden verschwand.
»Sie hat den Hubschrauber der Firma angefordert. Ich glaub es nicht! So ein verrücktes Huhn.« Wider Willen musste er grinsen. Lilian war nicht bösartig, sie war einfach nur ein vom Leben total verwöhntes Geschöpf, das es nicht ertragen konnte, wenn es seinen Willen nicht durchsetzen konnte.
Das Geräusch der Rotoren wurde schwächer, wenige Minuten später erhob sich der Helikopter wieder in die Luft und entschwand in einem eleganten Bogen in südliche Richtung.
Kurz sah Magnus ihm nach, dann bog er in eine kleine Seitenstraße ein. Er wusste von seinen letzten beiden Besuchen in Hammerfest, dass sich hier eine kleine Boutique befand. Die Besitzerin stellte die Blusen, Taschen und Schals, die sie verkaufte, zum Teil selber her. Es waren handgewebte und bestickte Teile, die wunderschön aussahen.
Die Eingangstür war grün gestrichen und hatte im oberen Teil eine runde, leicht mattierte Scheibe, die von einer eingravierten Jugendstilranke verziert wurde.
»Hallo, was kann ich für dich tun?« Die Ladenbesitzerin, eine schlanke blonde Frau von etwa vierzig Jahren, kam aus einem Nebenraum, der durch einen hellgrünen Leinenvorhang vom Verkaufsraum abgetrennt wurde.
»Ich suche ein Geschenk.« Etwas unsicher sah sich Magnus in dem kleinen Laden um. In zwei halbhohen Regalen lagen Tücher und Mützen. Auch ein paar handgestrickte Pullover bemerkte er, dazu Schmuck aus Muscheln, Perlen und gedrechselten Holzstücken. In einer Vitrine standen bunte Gläser und Vasen, zwei runde, mit Silberfäden verzierte Schalen gefielen ihm besonders gut, doch er hatte Sorge, dass er sie nicht unbeschadet transportieren könnte.
»Du suchst etwas für eine junge Frau, nehme ich an.«
»Ja.«
Sie zeigte ihm drei Tücher in hellen Blautönen. Dann eine mit weißem Pelz verbrämte Mütze. »Oder lieber eine Bluse?«
»Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich nehmen soll.« Magnus griff nach einem der Tücher. Es war so breit, dass man es als Stola tragen konnte. Dünne, hellblaue und zartgrüne Leinenstreifen wechselten sich mit beigefarbenen und hellgelben Streifen ab. »Ich glaube, das passt ganz gut.«
»Es ist eins meiner Lieblingsstücke.«
»Hoffen wir, dass es das auch für meine Freundin werden wird.«
»Ich packe
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