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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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Abstand da und bestaunten das Baby, das voll ausgereift war und gesund und kräftig einen lauten Protestschrei in die Welt schickte.
    »Das ist ein Prachtjunge!«, lobte Andrea und kümmerte sich erst einmal um das Neugeborene, das notdürftig in ein paar Handtücher gewickelt wurde, die Carina aus dem nahe gelegenen Restaurant besorgt hatte. »Jetzt noch die Daunenjacke drüber, das reicht bis zur Klinik.« Sie lächelte Inga zu. »Toll gemacht! Halt den Kleinen fest, bei dir ist er am besten aufgehoben.«
    Inga nickte nur. Erschöpft, aber überglücklich sah sie auf ihren Sohn, dessen ungewöhnlich lange Haare den gleichen weißblonden Ton hatten wie die Haare seines Vaters.
    Carina hatte übers Handy die Notrufstelle informiert, und mit einer extra eingesetzten Seilbahn wurden Mutter und Kind eine Viertelstunde später zu Tal gebracht.
    Andrea übergab ihre Patienten dem norwegischen Kollegen vom Notarztwagen. »Ich denke, alles ist in Ordnung.«
    »Das hast du prima gemacht.« Er gab ihr die Hand. »Ich bin Doktor Christensen.«
    »Andrea Sandberg aus Deutschland. Ich bin auch Ärztin.«
    »Das war dann ein riesiges Glück für die zwei hier.« Er wies zum Notarztwagen. »Sehe ich dich noch?«
    Andrea schüttelte den Kopf. »Ich fahre morgen rüber zu den Lofoten.« Sie zögerte, dann fügte sie hinzu: »Ich werde dort eine Praxisvertretung machen.«
    »Dann grüß mir Johan Ecklund, falls du mal nach Stamsund kommen solltest. Er ist ein Studienkollege meines Vaters und mit dafür verantwortlich, dass auch ich Arzt geworden bin. Wir telefonieren hin und wieder. Leider haben wir viel zu wenig Zeit, um uns zu treffen.«
    »Zu ihm will ich.« Rasch war erzählt, was auf den Lofoten passiert war.
    »So ein Pech! Er wird den Leuten fehlen.« Er streckte Andrea die Hand hin. »Prima, dass du die Praxis am Laufen halten wirst.« Dann musste Gunnar Christensen los. »Wir sehen uns sicher noch mal. Adjø!« Und schon schlossen sich die Türen des Krankenwagens hinter ihm.
    »Langweilig wird’s mit dir nicht.« Carina schob ihren Arm unter den der Freundin. »Komm, wir fahren zu mir. Eine Dusche und ein guter Drink werden uns guttun nach der Aufregung.«
    »So was aber auch … das war wirklich knapp für Mutter und Kind. Eine Sturzgeburt hab ich noch nie mitgemacht, ehrlich gesagt.«
    »Da siehst du es mal wieder: Du wirst in Norwegen gebraucht.«

32
    D ie Sonne stand blendend wie ein großer Punktstrahler über dem klaren, wolkenlosen Horizont. Nur vereinzelt segelten kleine Zirruswolken vorbei, dünnes, goldiges Gespinst, das den außergewöhnlich schönen Tag perfekt machte.
    Auf der Fähre standen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Jetzt, im Sommer, zog es viele Touristen in den hohen Norden. Und die Fährverbindung vom kleinen Ort Skutvik hinüber zu den Lofoten wurde rege genutzt. Im Winter, wenn es dunkel und eisig kalt war, blieben die Einheimischen meist unter sich. Nur ein paar Kreuzfahrtschiffe brachten dann Besucher in den Nordteil des Landes; Menschen, die gespannt auf das Phänomen des Nordlichts warteten, das in faszinierenden bunten Farben am Himmel seine Lichtschweife zog.
    Andrea hatte ihr Gepäck auf einer Bank im Innern des Schiffes abgestellt. Wieder waren es nur ein Koffer und eine Reisetasche, die sie dabeihatte. Zwei alte Samenfrauen hatten versprochen, auf die Sachen aufzupassen, während Andrea an Deck war. Die beiden Alten trugen perlenbestickte rote Hauben. Ihre Kleider waren beinahe identisch, blau mit rot-gelber Borte am Hals, an den Ärmeln und am Rocksaum. Die kleinere Frau hatte noch ein rotes Tuch mit gelbem Blumenmuster umgelegt. Ihre Gesichter, von Wind und Wetter gegerbt, waren voller Falten. Aber es waren interessante, gute Gesichter, die viel von dem inneren Frieden verrieten, den die Frauen gefunden hatten. Sie kauten getrocknetes Robbenfleisch, von dem sie Andrea auch anboten.
    »Danke, aber ich möchte gern an Deck.« Andrea wollte nicht unhöflich sein, aber Robbenfleisch schmeckte ihr gar nicht. Sie hatte es einmal probiert – und es viel zu fett und tranig gefunden.
    »Du bist Deutsche!« Die ältere der Frauen stand auf und hielt Andrea am Arm fest. »Du hast Kim geholfen, ja?« Sie sprach ein hartes, nicht perfektes Englisch, doch man konnte sie gut verstehen.
    »Ja, das stimmt. Kennst du Kim?«
    »Kim war meine Großnichte. Ihre Eltern sind bei einem Jagdunfall gestorben, da habe ich sie zu mir genommen.« Ein Schatten fiel über das Gesicht der Alten. »Sie ist jetzt

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