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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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finanziert worden. Und euer Institut … wenn man es genau nimmt, gehört es mindestens zu zwanzig Prozent mir.«
    Magnus schwieg.
    »Na, was sagst du dazu?«
    »Kompliment. Es ehrt dich, dass du so viel tust.«
    »Red keinen Unsinn. Es ist ein sinnvolles Engagement, zugegeben. Aber es ist auch was fürs Renommee und die Steuer, um es mal ganz lässig zu formulieren.« Noch ehe Magnus etwas erwidern konnte, fuhr er fort: »Und jetzt denk mal nach, mein Lieber: Wenn ich es will, ist dein toller Job von heute auf morgen gefährdet. Man muss ja sparen. Rationalisierung heißt das Zauberwort.«
    »Du willst mich erpressen!«
    »Nein. Ich will dir nur klarmachen, was du aufs Spiel setzt. Nämlich nicht nur deine Existenz, sondern auch die deiner Kollegen.«
    Aus Magnus’ Gesicht war alle Farbe gewichen. Er musste sich beherrschen, um nicht aufzuspringen und Kjell am Kragen zu packen. »Das ist infam.«
    »So ist nun mal das Geschäft. Aber reg dich nicht auf. Du hast es ja selbst in der Hand. Lilian will dich als Lebenspartner – also kriegt sie dich.« Kjell Blomquist stand auf. »Denk drüber nach, Magnus.«

34
    D er Fjord schien sich endlos weit ins Land hineinzufressen. Dunkel und bedrohlich wirkte sein Wasser. Die Felswände, die steil an beiden Seiten aufragten, waren kahl und feucht. Nur Moos bedeckte einige der Steine. Kein Schiff war weit und breit zu sehen. Ihr Boot schien das einzige zu sein, das sich in diesen düsteren Fjord hineinwagte. Vorn am Bug saß ein Troll, er zählte an seinen vier Fingern immer wieder die spitzen Zacken der Berge ringsum ab. Und dann, plötzlich, wickelte er einen weißen Verband von seinem Bein, wedelte damit durch die Luft und lachte lauthals.
    Sie sah zum Himmel. Auch der Himmel hatte diese dunkelblaue, von unendlicher Tiefe kündende Farbe angenommen. Nahtlos gingen Himmel und Meer ineinander über. Die dünne Fahne aus weißem Verbandmull war der einzige helle Fleck weit und breit.
    Und dann … woher kam das weiße Rentier? Wie aus dem Nichts war es am Horizont aufgetaucht. Auf seinem Rücken saß eine kleine Gestalt. Weithin leuchtete die rote, mit gelben, blauen und weißen Perlen bestickte Mütze. Jetzt hob die Gestalt die Hand, winkte. Winkte ihr zu.
    »Kim!« Mit einem Ruck setzte sich Andrea im Bett auf.
    Mit zitternden Fingern schob sie sich das wirre Haar aus der Stirn und sah sich, desorientiert für den ersten Moment, im Zimmer um. Schon wieder dieser Traum! Seit drei Tagen war sie im Doktorhaus, und jede Nacht träumte sie von Kim. Von ihrem Rentier. Von einem dunklen Fjord und dem lachenden Troll.
    Es klopfte an ihre Tür. »Guten Morgen, Doktor Andrea. Bist du schon wach? Es gibt Kaffee und Pfannkuchen mit Sirup.«
    »Danke, Birgit.«
    »Beeil dich, die ersten Patienten kommen sicher bald.«
    Es hatte sich rasch herumgesprochen, dass die deutsche Ärztin wieder da war und Dr. Ecklunds Praxis weiterführte. Ein paar Anrufe von weiter entfernt liegenden Inseln waren bereits am Tag zuvor eingegangen, da es im Moment aber niemanden gab, der das kleine Boot hätte steuern können, musste Birgit die Kranken vertrösten.
    »Trine Hallstedt will dich mit ihrem Boot abholen, ihrem Schwiegervater geht es immer schlechter«, sagte Birgit beim Frühstück.
    »Wäre es dann nicht besser, wenn sie ihn gleich in die Klinik brächte?«, gab Andrea zu bedenken.
    »Will er nicht.« Birgit zuckte mit den Schultern. »Du kennst doch die alten Fischer, die sind eigenwillig. Die Vorstellung, in einem sterilen Krankenzimmer liegen zu müssen, ist ihnen unheimlich.«
    »Sturheit kann manchmal ziemlich ungesund sein«, erwiderte Andrea lakonisch. »Aber wenn sie mich holt, soll’s mir recht sein. Am besten gleich nach der Vormittagssprechstunde. Weit ist es ja nicht, oder?«
    »Nein. Die Fahrt dauert knapp zwanzig Minuten. Nur die Björnsen-Familie lebt da. Die Insel ist auf einer normalen Karte nicht verzeichnet, auf den Seekarten ist sie natürlich eingetragen.«
    »Wie soll ich mich jemals hier in der Gegend auskennen?« Andrea biss mit Appetit in das Brot, das Birgit selbst gebacken hatte. Dazu gab es frischen Quark und Marillengelee.
    »Zum Glück sind ja die meisten der größeren Inseln inzwischen mit Hochbrücken mit dem Festland verbunden.« Birgit schenkte sich Kaffee nach. »Wenn ich dran denke, wie beschwerlich es vor zwanzig Jahren noch war, graust es mir. Da brauchte man einen ganzen Tag von hier bis zu den Vesterålen.«
    »Und dennoch kommt man nicht ohne Boot aus.«

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