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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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Andrea stand auf. »Fährst du heute noch mal in die Klinik?«
    »Nein, erst morgen.«
    »Soll ich dann mitkommen?«
    »Nein, bleib lieber hier. Es gibt sicher viel zu tun. Außerdem kommt Magnus. Schon vergessen?«
    »Wie könnte ich!« Andrea ging lachend hinüber ins Sprechzimmer. Auf einen weißen Kittel verzichtete sie. Die altmodischen großen Mäntel, die in Dr. Ecklunds Schrank hingen, waren sowieso viel zu groß, und es war bequemer, in Hose und einem weißen T-Shirt zu arbeiten.
    Bis zum Mittag versorgte sie Patienten, zwischendurch rief sie in der Klinik an und erkundigte sich nach Dr. Ecklunds Befinden und dem Zustand des kleinen Jens.
    »Ich verbinde mit Dr. Vardeland, dem Oberarzt der chirurgischen Abteilung«, sagte die Stationsschwester, die unter anderem Johan Ecklund betreute. »Der Doktor möchte gern mit dir über Jens sprechen.«
    »In Ordnung, ich warte.« Es dauerte nur Sekunden, dann meldete sich der Kollege.
    »Hallo, Andrea. Wie gut, dass du anrufst. Ich hätte mich im Laufe des Tages noch bei dir gemeldet und berichtet, dass es dem kleinen Patienten ganz gut geht. Du hattest recht mit deiner Diagnose – es liegt ein Schädelbasisbruch vor. Doch zum Glück ist es nicht zu massiven Gehirnblutungen gekommen.«
    »Das ist gut.« Andrea lächelte. »Dann hat Jens wohl Glück im Unglück gehabt.«
    »So kann man es sagen. In ein paar Wochen kann er sicher wieder unbeschwert herumtollen. Das hat er dir zu verdanken.«
    »Ach was, ich hab meinen Job gemacht, mehr nicht.«
    »Wann kommst du mal in die Klinik? Wir würden dich alle gern kennenlernen.« Er lachte. Es war ein dunkles, kehliges Lachen. »Ehrlich gesagt, würden wir alle gern wissen, wem Johan seine Praxis anvertraut hat. Der eigensinnige alte Kerl schwärmt geradezu von dir.«
    »Wirklich? Das kann ich kaum glauben.«
    »Ist aber so. Also, wann lernen wir uns kennen?«
    »Ich werde sehen, wann ich es einrichten kann. In den nächsten Tagen wollte ich Dr. Ecklund sowieso einmal besuchen.«
    »Fein, ruf vorher an, damit ich Dienst habe.«
    Ist das jetzt Anmache oder Freundlichkeit, fragte sich Andrea, als sie den Hörer zurücklegte. Lange Zeit, darüber nachzudenken, hatte sie nicht, denn Birgit klopfte kurz an die Tür des Sprechzimmers und meldete: »Trine ist da.«
    »Ich komme sofort.« Andrea hatte die Bereitschaftstasche am Morgen frisch aufgefüllt, sie hoffte, dass sie alles dabeihatte, um dem alten Fischer Björnsen zu helfen.
    Trine Björnsen wartete am Anlegesteg. »Hei, Doktor Andrea, ich bin so froh, dass du mitkommen kannst.« Wie selbstverständlich duzte sie die Ärztin. Sie streckte ihr die Hand hin. »Komm, ich helfe dir.«
    Andrea zögerte. Das Boot, gerade mal sechs oder sieben Meter lang, sah alles andere als vertrauenerweckend aus. Die blaue Farbe war zum größten Teil abgeblättert, die Windschutzscheibe hatte einen großen Riss. Auf der Erde lag neben zwei nassen Tauen ein Netz, in dem noch ein paar Muscheln hingen.
    »Hier, gegen den Wind und das Wasser.« Trine reichte ihr ein erstaunlich sauberes Cape aus grünem Wachstuch. Dann wies sie auf die Bank am Heck. »Da sitzt du am besten.«
    »Gut.« Sie ließ sich vorsichtig nieder. Während Trine das Boot geschickt an Klippen und kleinen Inselchen vorbeisteuerte, fragte Andrea: »Was fehlt dem Patienten eigentlich genau? In der Krankenakte steht nur, dass er ein Prostataleiden hat. Und Herzrhythmusstörungen.«
    »Er hat Schmerzen. In der Brust und im Unterbauch.« Sie zuckte mit den Schultern. »Was genau es ist, sagt er nicht.«
    Dann gehört er zur gründlichen Untersuchung in die Klinik, hätte Andrea am liebsten erklärt, doch sie schwieg. Birgit hatte ihr ja schon gesagt, dass der alte Björnsen etwas schwierig war.
    Wie sehr, würde sie schon sehr bald erfahren. Sie betraten das niedrige rote Holzhaus, das fast ein Viertel der Inseloberfläche einnahm. In der weitläufigen Diele, in der es dämmrig war, denn nur durch ein kleines Fenster fiel Licht, hingen Walzähne von der Decke. An den Wänden sah sie alte Bilder in schlichten Holzrahmen, die Männer beim Walfang zeigten.
    »Hier rein, da ist Opas Reich.« Trine stieß die vorletzte Tür auf. Ein großer heller Raum tat sich auf, dessen Fenster bis zur Erde reichten und den Blick aufs Meer freigaben. Ein hellbrauner Sisalteppich bedeckte den Boden, ein schwerer, altersdunkler Eichenschrank stand an der Längsseite. Davor ein Tisch mit sechs gedrechselten Stühlen. Auf dem Tisch lag eine Bibel, darauf

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