MM-City Wien: Das Reisehandbuch zur Donaumetropole - kompakt, übersichtlich, informativ (German Edition)
space kombiniert. Das Zweite, atmosphärisch ein klassisches Wiener Kaffeehaus, verblüffte einst durch sein modernes Interieur, das von Adolf Loos gestaltet, vor wenigen Jahren in dessen ästhetischem Sinne originalgetreu aufgefrischt und jüngst mangels Gemütlichkeit desselben wieder vom Loos-Design befreit wurde/wird.
Nur ein paar Schritte davon entfernt leuchtet mit der goldlorbeergekrönten → Secession gleichsam das „Mutterhaus“ des Wiener Jugendstils, in dem mitGustav Klimts Beethovenfries eines der bedeutendsten Kunstwerke der Epoche gehütet wird.
Direkt gegenüber nahmen die späteren kommunalen Wohnbaumeister des Roten Wien Heinrich Schmid und Hermann Aichinger eine große berufliche Herausforderung an, indem sie die Stadtbahnlinie mit dem 1922 bezogenen villenartigen Verwaltungsgebäude des Österreichischen Verkehrsbüros überbauten. Das wurde 2008/09 innen und außen frisch herausgeputzt und vom Novomatic Forum bezogen, welches sich als „Wiens neue Mitte für Dialog, Kunst und Kultur“ versteht und vom gleichnamigen Glücksspielkonzern gesponsert wird.
In Sichtweite der beiden Architekturdenkmäler entfaltet sich das geschäftige Treiben des Naschmarkts , in dem handfeste Wiener Lebensart, süd(ost)-europäische und asiatische Mentalitäten eine farbenfrohe, duftende und lautstarke Symbiose eingehen. Beim Bummel durch das kleine kulinarische Paradies kommt man z. B. am ältesten Naschmarktwürstlstand Horvath vorbei, der nicht zuletzt mit den gereimt kommentierten Werbecomics seines legendären Vorgängers Ehrenreich über das Würstelbraterdasein amüsiert. Man passiert die stattliche Flaschengalerie von Essigbrauer Erwin Gegenbauer, dessen Erzeugnisse unterdessen in alle Feinschmeckerwelt exportiert werden, und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von Leo Strmiska zum Probieren seines einzigartigen Champagnerkrautes animiert. Man sieht und riecht tropische Früchte und exotische Gewürze, bereits filetierte und munter schwimmende Fische, Geflügel und Wild, Brot und Börek, Pizza und Kebab. Dazwischen werden in kleinen Pavillonrestaurants Gulasch, Chicken Marsala, Sushi, Raki, Bier oder Wein serviert.
Seit Sommer 2010 wird das Verkaufsgelände, das übrigens unlängst administrativ dem sechsten Gemeindebezirk Mariahilf zugeschlagen wurde, zwecks Optimierung der Ver- und Entsorgungsstrukturen für Wasser, Strom und Müll saniert und verkehrsberuhigt, indem die Schleifmühlbrücke in seiner Mitte künftig vom Autoverkehr befreit wird.
Wer sich von den Bauarbeiten, die voraussichtlich bis 2016 andauern, belästigt fühlt, möge in eines der Lokale neben dem traditionsreichen → Theater an der Wien an der Linken Wienzeile ausweichen, das anno 2006 nach gut 200 Jahren zu seinen musikalischen Wurzeln zurückgefunden und das Attribut „Das neue Opernhaus“ angenommen hat, oder über die Rechte Wienzeile ins gastronomische und kommerzielle Herz des Freihausviertels in und um Schleifmühlgasse und Margaretenstraße vordringen. Außer zahlreichen Cafés, Kneipen und kleinen Läden findet man dort eines der ältesten Kinos der Stadt. Das Schikaneder-Kino wurde 1906 eröffnet, zeigte später als eines der ersten Wiener Lichtspielhäuser Pornofilme und vielleicht auch den legendären Film, dem gleich um die Ecke das gleichnamige → Dritte-Mann-Museum gewidmet wurde. Von dort kehren wir zum Naschmarkt zurück, um an seiner Westflanke mitOtto Wagners → Wienzeilehäusern und seiner Stadtbahnstation Kettenbrückergasse drei Kleinodien des Wiener Jugendstils zu würdigen.
Um deren Liste um einige architektonische Hinterlassenschaften seiner Schüler zu verlängern, folgen wir – eventuell nach einem Abstecher zur → Schubert-Sterbewohnung in der Kettenbrückengasse 6 – der Rechten Wienzeile stadtauswärts.Dabei passieren wir das von Josef Plecnik entworfene, 1902 bezogene Mietshaus Langer (Steggasse 1)und Oskars Marmoreks im selben Jahr fertig gestellten weiß-blau-goldenen Wohn- und Geschäftsturm Rüdigerhof (Hamburgerstraße 20),die Stadtbahnstation Pilgramgasse vom Meister selbst und schließlich den von Franz und Hubert Gessner gestalteten Sitz des Vorwärtsverlages, dessen Machart sich bereits deutlich vom Jugendstil entfernt.
Weil Rüdigerhof und → Vorwärtsverlagshaus aus der Perspektive des gegenüberliegenden Wienufers eigentlich noch viel besser ins Visier zu nehmen sind, überqueren wir am hübschen „Otto-Wagner-Bahnhof“ das hier wieder offen plätschernde
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