Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
die Spalten mit den »Mode-Sünden«, wo sie jedes Mal als Totalausfall gilt. Und diese Woche tritt sie gegen ein schwangeres Glamourgirl an, das von Kopf bis Fuß Leopardenmuster trägt, und ein Pop-Sternchen in gelbem Lurex-Mikro-Minirock und Ugg-Boots.
Es ist anders, wenn jemand, den ihr kennt, in den Seiten auftaucht. Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen, die Zeitschriften zu kaufen, aber leider hält mich das nicht davon ab. Selbst Mum, die sonst nur die Vogue und das Art Monthly liest, fällt es auf. Gewöhnlich interessiert sie sich nicht für meine Freundinnen, aber sie mag Jenny. Sie hat sie in der Schule in Annie gesehen und fand sie unglaublich.
»Was das Mädchen braucht, sind gute Miederwaren«, sagt Mum.
Was das Mädchen braucht, denke ich, ist eine Therapie.
Die New Yorker Premiere von Kid Code wird live auf irgendeinem Kabelsender ausgestrahlt. Ich muss lange aufbleiben, bis die Übertragung anfängt, und Harry leistet mir Gesellschaft (immer noch keine Zoe) mit Schokoladenkeksen und Ben & Jerry’s Phishfood-Eiscreme. (Es macht Jenny wahnsinnig, dass ich alles essen kann, ohne dick zu werden, aber der Stoffwechsel ist das einzig Gute, was meine Mutter mir vererbt hat.)
Die Moderatoren schwärmen bereits von dem Film, der in New York genauso erfolgreich anläuft wie in London. Hollywoods heißestes Paar sieht toll aus, wieder in Armani. Da muss wohl irgendein Deal laufen. Joe Yule sieht schmerzhaft gut aus, wie immer. Diesmal hat er seine rattenscharfe Freundin mitgebracht, die wie eine Klette an ihm hängt und dabei das winzigste Mikro-Kleid trägt, das ich je gesehen habe, um mit ihren perfekten Beinen anzugeben.
Von Jennys Beinen ist nichts zu sehen. Pablo Dodo hat diesmal beschlossen, sie in einem bubblegumrosa Maxikleid zu servieren, das ihr die Fesseln abschnürt, nachdem es sich um Brüsteund Hüften ordentlich aufgeplustert hat. Abgerundet wird das Ganze von flachen Sandalen und einer Art Federboa, an die sie sich klammert wie an eine Rettungsweste.
Joe Yule ignoriert sie wieder. Jennys Vater wurde, was nicht überrascht, ausgeladen. Hollywoods heißestes Paar ist damit beschäftigt, von Journalisten und Fotografen gemobbt zu werden, und hat keine Zeit für Jenny. Sie steht mutterseelenalleine im Blitzlichtgewitter, das komische Boa-Ding an sich gepresst, und kämpft gegen die Panik.
Ich spähe zu Harry rüber, der sich die Augen zuhält.
Ich muss ihn nicht fragen, was er denkt. Und ich beschließe, meine Gedanken für mich zu behalten. Weil sie mich einzig und allein an ein riesiges, unglückliches rosa Kondom erinnert. Mit einer Boa.
»Sag ihr NIE, dass ich das gesagt habe«, drohe ich.
»Das tue ich nicht, versprochen!«, nuschelt Edie. Ihre Stimme wird gedämpft von einem Strauß in Zellophan.
Ich bereue zutiefst, dass ich Edie von meiner Kondom-Assoziation erzählt habe. Wir haben gechattet, und ich wollte die volle Schrecklichkeit des Maxikleid-Desasters rüberbringen. Dabei hatte ich kurzfristig vergessen, dass Edies Intelligenz und ihre Verschwiegenheit, was peinliche Details angeht, in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zueinander stehen.
Doch jetzt ist es zu spät, und außerdem haben wir zu tun. Wir stehen in einem runtergekommenen Gebäude in der Nähe der Gloucester Road an der Treppe, die zu Krähes Wohnung führt. Ihre Tante Florence will uns kennenlernen.
Das Schlimmste ist der Geruch. Ich denke, dass im Erdgeschoss irgendwas gestorben sein muss. Eine Maus. Vielleicht auch eine ganze Mäusefamilie.
»Wahrscheinlich riecht es an kalten Tagen weniger«, sagt Edie zuversichtlich. Sie hat es gut. Sie trägt den Blumenstrauß, den wir mitgebracht haben, und kann ihn sich unter die Nase halten wie eine Rokoko-Dame das Riechfläschchen.
Krähe sagt, die Einladung soll ein Dankeschön für die Bücher und die neuen Stoffe sein. Doch Edie hat den Verdacht, ihre Tante will sich vergewissern, dass wir keine Sklaventreiber oder Kinderschänder sind, und ich glaube, Edie hat Recht. Also habe ich mir einen Rock und eine Bluse von ihr geborgt, um einen anständigen Eindruck zu machen. Allerdings ist mir der Rock zu lang und die Bluse spannt selbst über meinem bescheidenen Dekolleté, so dass das Outfit nicht die vorgesehene Wirkung hat. Ich habe eher den Look einer heißblütigen Zigeunerprinzessin als den einer jungen Adligen. Edie sieht aus wie immer, als wäre sie in der britischen Botschaft zum Tee eingeladen.
Die Tür geht auf und eine große,
Weitere Kostenlose Bücher