Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
gegen die Wand hämmern, und ich führe eine Conga-Polonaise durch Harrys Zimmer an. Ihr glaubt vielleicht nicht, dass man auf Memphis-Soul Conga tanzen kann, aber man kann, wenn man sich richtig anstellt. Dann klingelt das Telefon in meiner Hosentasche. Ohne nachzudenken, hole ich es raus und gehe ran.
»Ja?«, rufe ich.
»Äh, hallo. Nonie?«
»Ja. Was ist?«
»Hier ist Alexander. Äh, ist alles klar bei dir?«
Ich erkläre Alexander, ja, bei mir ist alles klar. Ich kann nur gerade nicht, weil ich was feiern muss, und ich rufe ihn später zurück. Dann stecke ich das Telefon wieder ein und tanze weiter. Also wirklich, ausgerechnet jetzt!
Erst als ich später ins Bett gehe und alles wieder ganz still ist, wird mir klar, was ich getan habe und was für ein Blödmann ich war.
Nur, ich war gar kein Blödmann. Ganz früh am nächsten Morgen bekomme ich eine SMS von ihm, in der er mich anbettelt, ihn so bald wie möglich wiederzusehen.
Am Samstag stürzt Edies Website tatsächlich ab. Sie repariert sie und fünf Minuten später stürzt sie wieder ab. Anscheinend braucht Edie einen neuen Rechner, auf dem sie laufen kann, oder so was. Jedenfalls ist es kompliziert und technisch und teuer, aber es macht ihr nicht viel aus, weil andere Blogger anfangen darüber zu berichten, dass ihre Site abgestürzt ist, wodurch sie noch mehr Besucher bekommt und im Netz eine ziemliche Berühmtheit wird.
Ich versuche nicht daran zu denken, wie viele Leute jetzt täglich darüber informiert werden, was ich anhabe. Sonst würde ich ja verrückt werden. Vor allem weil ich gerade eine 1930er-Phase habe und am liebsten alte, schräg im Fadenlauf geschnittene Satinkleider trage, von denen Mum behauptet, sie sehen aus wie mottenzerfressene Nachthemden. Kombiniert mit der guten alten rosa Eisbärteddyjacke – die inzwischen ein bisschen kurz und mehr ein Bolero ist – und spitzen Winklepicker-Schuhen.
Krähe und ich haben heute Vormittag unser nächstes Meeting mit Miss Teen. Bevor ich anfing in der Modebranche zu arbeiten, waren Samstagvormittage ausschließlich für Shopping und Smoothies reserviert. Jetzt also auch für Meetings. Nicht gerade unser Lieblingszeitvertreib, aber keine Meetings, keine Kollektion. Also ziehen wir uns hübsch an, lächeln tapfer und gehen hin.
Diesmal trage ich kein schräg geschnittenes Satinkleid. Bei Miss Teen kommt »mottenzerfressen« nicht so gut an. Ich trage einen klein karierten limettengrünen Minifaltenrock, Hosenträger und eins von Harrys Hemden. Und ein paar neue Converse, die ich mit Flaschendeckeln beklebt habe, mein Beitrag zum Recycling. Ich sehe hochanständig und professionell aus. Na ja, neben Edie würde ich vielleicht ein bisschen leger wirken, aber ich mache auf »normalen Teenager«, nicht auf »Bewerber um die Mitgliedschaft im britischen Königshaus«.
Krähe trägt ihre Arbeitsuniform, T-Shirt und Latzhose, mit einem bodenlangen Umhang in Schottenkaro. Und einem riesigen Schottenkaroschal, den sie sich um den Kopf gewickelt hat. Hat fünf Sekunden gedauert. Sieht umwerfend aus. Seufz.
Auf dem Weg zur Miss-Teen-Zentrale kaufe ich mir am Zeitungsstand eine Klatschzeitschrift und blättere sie durch. Zwei Mädchen in Krähes Kleidern – eins Haute Couture, eins von der Stange. Gut. Interessanterweise hat das Mädchen mit dem Couture-Kleid Pixie Boots dazu an. PIXIE BOOTS? Diese spitzen Achtziger-Jahre-Stiefeletten? Spinnt die? Aber je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt es mir. Ach, und da ist Sigrid Santorini, wie sie am Arm eines Mannes, dessen Name mir bekannt vorkommt, aus einem Klub torkelt. Es dauert die ganze Busfahrt, bis mir einfällt, warum.
Dann weiß ich es. Er ist Jennys Regisseur. Sigrid stalkt uns.
Als wir bei Miss Teen ankommen, werden wir in den Konferenzraum geführt, nicht in den Designer-Plauder-Kaffeeklatschraum, wo wir uns sonst immer treffen. Der Konferenzraum ist voll mit Holz. Die Wände sind holzgetäfelt. Der Tisch besteht aus einem riesigen Holzstamm. Die Sessel haben die Farbe von Holz. Selbst eins der Kunstwerke an der Wand besteht aus Holzklötzen. Wenn Edie hier wäre, würde sie an die Regenwälder denken und in Tränen ausbrechen. Jenny würde an ihre Darbietung in Kid Code denken und ebenfalls in Tränen ausbrechen.
Wie gewöhnlich wird heiße Schokolade ausgeschenkt, die Erwachsenen trinken Cappuccinos. Amanda kommt herein und sie sieht noch müder aus als sonst (schlechtes Zeichen). Dann marschiert das Design-Team
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