Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
dein Aussehen angeht, auf keinen Fall von deiner besten Freundin für die Titelseite der Vogue vorschlagen lässt. Wenn es zu spät für einen Rückzieher ist, mach ihr Vorwürfe und sieh sie bei jeder Gelegenheit wütend an.
Als es so weit ist, sitzt Jenny vor einem wandgroßen Spiegel im Studio, wo der Stylist sich um ihr frisch gefärbtes Haar kümmert, und sieht aus, als müsste sie gleich vor ein Erschießungskommando anstatt vor die Linse von Ted Regent – auch bekannt als »der neue David Bailey« oder »der Mann, bei dem cool heiß ist«. Der Blick in ihren Augen wechselt zwischen Panik, wenn sie sich selbst mit ihrem Titelseiten-Make-up sieht, und Rage, wenn ihr Blick im Spiegel auf mich fällt.
Die Vogue -Leute haben anscheinend vor, sie als Alien abzulichten. Jenny trägt eine superblasse Grundierung (völlig unnötig, so weiß, wie sie bereits ist), eine dicke Schicht regenbogenfarbenen Lidschatten, fedrige pfauenblaue falsche Wimpern und silbernen Lippenstift. Sie ist fast nicht wiederzuerkennen, versichere ich ihr.
»Aber meinen Busen erkennt jeder«, jammert sie. »Auch unter den ganzen Lagen. Und meine dicken Schultern.«
»Deine Schultern sind nicht dick. Sie sind perfekt gerundet.« Wie oft muss ich ihr das noch sagen?
»Und meine feisten Arme.«
Seufzend gebe ich auf. Glücklicherweise übernimmt der Hairstylist. Er ist es gewohnt, nervösen Models vor dem Shooting gut zuzureden.
»Du hast traumhaft zarte Handgelenke. Das denke ich schon die ganze Zeit. Und dein Haar ist so was von fantastisch, Kleines! Was für eine Farbe! Besser hätte der Kupferton gar nicht rauskommen können. Wenn wir hier fertig sind, will jeder Jennys Kupferrot tragen. ABSOLUT JEDER. Vertrau mir.«
Irgendwann, als Haare und Make-up und Garderobe und Nägel fertig sind und die Moderedakteurin der Vogue und Krähe und Amanda Elat, die Miss Teen leitet, zufrieden sind, schlurft Jenny raus, um für Ted Regent zu posieren. Wir sind in einem Studio in Shoreditch, das früher mal eine Werkstatt oder Lagerhalle war, schätze ich. Weiß gestrichene Backsteinmauern mit einer Discokugel in der Mitte und einem großen weißen Hintergrund, vor dem Jenny posieren muss.
»Hier würde ich gern mal eine Modenschau machen«, sagt Krähe glücklich.
Sie hat Recht. Der Raum wäre perfekt für einen kleinen Laufsteg. Atmosphärisch und aufregend, vor allem, wenn bei voller Lautstärke Lady Gaga läuft wie im Moment. Ich überlege mir sofort, wo ich das Publikum hinsetzen würde und die Fotografen, und wie ich die Reihenfolge der Models organisieren würde, und wie ich die süße kleine Galerie auf halber Höhe nutzen könnte …
Ted Regent setzt Jenny vor dem weißen Hintergrund auf einen Stuhl. Er sieht selbst aus wie ein Model – Skinny-Jeans und Designer-Stoppeln. Außerdem scheint er die Energie eines hyperaktiven Vierjährigen zu haben. In einem Moment kniet er vor Jenny und rückt ihren Knöchel zurecht. Im nächsten steht er über ihr und verändert den Winkel ihres Kopfs. Dann tanzt er herum, ruft: »Emotion«, und singt zwischendurch bei Poker Face mit. Jenny dagegen sieht aus, als würde sie den Song wörtlich nehmen: Ihre Miene ist versteinert, und es ist unmöglich zu erraten, was hinter ihren Augen vorgeht. Ich wette, wenn Isabelle vor der Kamera steht, läuft es irgendwie anders.
Es gibt eine Pause, und alle drängen sich um den Laptop, um zu sehen, was bis jetzt rausgekommen ist. Dann wird an den Kleidern herumgezupft, andere Posen werden ausprobiert, und wieder scharen sich alle um den Computer, und dann wird Jenny in die Garderobe gebracht und in Outfit Nummer zwei gesteckt. In der Zwischenzeit wechseln Krähe und ich einen Blick. Die Kollektion ist fantastisch, und ich freue mich schon riesig, die Sachen zu tragen. Das hier ist der Moment, in dem alles lebendig werden muss. Wir bekommen mehr Publicity, als wir uns hätten träumen lassen. Aber bis jetzt macht unser Model ein Gesicht wie auf einem Fahndungsfoto. Es ist natürlich meine Schuld, auch wenn Krähe zu nett ist, um es auszusprechen. Sie lächelt mich gequält an.
Jenny kommt in einer Tunika und Leggings zurück, zu denen sie einen großen Schal und dicke Klunker trägt. Sie versucht noch ein paar Posen. Immer öfter bittet Ted sie von der Kamera wegzusehen und knipst ihren Hinterkopf. Verständlich. Der Hinterkopf ist das Lebhafteste an ihr.
Es ist schon Abend, als wir fertig sind.
»Gott, bin ich froh, dass es vorbei ist!«, sagt Jenny und lässt
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