Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
beiges.«
»Jemand in der Schule hat gesagt, ich sehe aus wie ein Lineal.«
Sie zieht die Braue hoch und nickt zustimmend. »Er hat Recht. Du solltest lieber deine normalen Sachen anziehen.«
»Wer hat gesagt, dass es ein Junge war?«
Sie sieht mich an und lacht. »Ich kenne dich lang genug, Nonie. Es ist der Typ aus dem Café, oder? Von dem du mir erzählt hast. Jedenfalls hat er Recht. Wie findest du das hier?«
Unzufrieden zupft sie am Saum des jüngsten Brautkleids herum. »Ich weiß nicht, was los ist«, sagt sie. »Sonst habe ich immer von Anfang an eine genaue Vorstellung und muss sie nur noch umsetzen. Aber bei diesem Kleid … es wird dauernd falsch.«
Ich schiebe die Gedanken an Liam weg und sehe mir das Kleid an. Diesmal soll es aus weißem Chiffon sein, mit einem leichten Anklang an die Zwanzigerjahre. Die Spaghettiärmel sind aus Satin, und es reicht Isabelle bis an die Knöchel. Doch im Moment arbeitet Krähe an der Baumwollversion, weil sie den Schnitt ausprobiert. Das endgültige Kleid soll mit Tausenden winziger Perlmuttperlen und silbernen Pailletten bestickt werden, womit ein Atelier in Indien beauftragt wird. Isabelle ist ganz aufgeregt und scheint Krähe täglich E-Mails zu schreiben.
»Es ist schön«, sage ich. »Außerdem hast du noch Ewigkeiten Zeit. Und ich habe nachgedacht. Erinnerst du dich an die Kamelhaarmänner?« Sie sieht mich verwirrt an. »Die Männer in den Kamelhaarmänteln, die ein neues Modehaus aufmachen wollen? Sie suchen immer noch nach einem Designer. Wenn du kein eigenes Label machen willst, könntest du für sie arbeiten. Ich finde, du solltest dich bei ihnen melden und von deinen kreativen Plänen erzählen.«
»Aber ich habe gar keine. Mein Plan ist die Schule. Ich habe Prüfungen vor mir. Genau wie du. Wir müssen lernen.«
»Ich weiß … Aber so lange können sie vielleicht nicht warten.«
Krähe zuckt die Schultern. Ich dachte, ich hätte mich an ihr Schulterzucken gewöhnt und es würde mich nicht mehr nerven, aber im Moment nervt es mich gewaltig. Ich muss Krähe aus ihrem Dornröschenschlaf aufwecken.
»Sie klangen wirklich begeistert von dir. Und sie haben so viel Geld, dass sie jede Idee von dir umsetzen können. Du musst ihnen nur sagen, was du machen willst.«
WIEDER zuckt Krähe die Schultern und sagt nichts.
»Christopher Kane designt für Versace«, sage ich.
Keine Antwort. Obwohl Christopher Kane einer ihrer Lieblingsdesigner ist.
»Stella McCartney war bei Chloé. Alexander McQueen bei Givenchy. So sind die meisten Großen berühmt geworden. Das ist deine Chance. Du musst wenigstens mit ihnen reden. Ihnen ein paar Ideen zeigen.«
Ich sehe sie flehentlich an. Doch ihr schöner großer Mund formt eine dünne Linie, und zwar nicht, weil er voller Stecknadeln ist. Sie wirkt unbeeindruckt, dabei sollte sie beeindruckt sein. Nicht nur von ihrer großen Chance, sondern auch von meinem Edelmut, dass ich sie ihr sozusagen auf dem Silbertablett reiche. Obwohl wir beide wissen, dass ich nicht mitmachen könnte.
»Ich habe meinem Vater versprochen, mich dieses Jahr ganz auf die Schule zu konzentrieren.« Sie sieht mich an. »Zu Hause« – und ich begreife, dass sie mit »zu Hause« Uganda meint, nicht London, und die Erkenntnis tut weh – »müssen viele Mädchen die Schule abbrechen, um ihren Familien zu helfen. Sie dürfen keinen Abschluss machen oder Ausbildungen anfangen. Hier in London nehmen die Leute die Schule für viel zu selbstverständlich.«
Sie sieht mich nicht an, als sie das sagt. Sie weicht meinem Blick bewusst aus. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass sie mit »die Leute« »du, Nonie« meint. Und auf eine beste Freundin, die wie die ugandische Version meiner Mutter klingt, kann ich im Moment verzichten.
Am Ende sitzen wir eine halbe Stunde schweigend da, während sie den Saum des Kleids wieder auftrennt und an anderer Stelle festheftet. Sie ist ganz vorsichtig dabei, und zuerst wirkt die Änderung so minimal, dass ich nicht weiß, warum sie sich überhaupt die Mühe macht. Aber dann fällt das ganze Kleid plötzlich ganz anders und scheint an der Schneiderpuppe zum Leben zu erwachen. Sie ist so gut in solchen Dinge! Es will mir nicht in den Kopf, dass sie diese super Chance nicht mit beiden Händen packt.
Frustriert stampfe ich die Treppe hoch und murmele etwas von »Hausaufgaben«. Sie sagt nicht mal tschüs.
Ich bin mitten in den Hausaufgaben, als Mum den Kopf zur Tür reinstreckt. Als sie sieht, dass ich arbeite, lächelt
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